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Neun Handlungsfelder im Bereich der Weiterbildungspolitik

Am 1. Januar 2017 ist das Weiterbildungsgesetz (WeBiG) in Kraft getreten. Man steht damit nicht mehr vor der Aufgabe zu begründen, warum es ein Weiterbildungsgesetz braucht. Viel­mehr müssen jetzt Antworten darauf gefunden werden, wie das WeBiG umgesetzt werden soll. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, hat neun Hand­lungsfelder identifiziert, die politisch bearbeitet werden müssen. 

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Die berufsorientierte Weiterbildung gehört in den NQR-CH-BB

Auf den 1. Oktober 2014 soll die Verordnung über den NQR-CH-BB in Kraft treten. Das ist ein wichtiger Schritt für die Berufsbildung. Die Berufsbildungen in der Schweiz sollen mit Bildungen aus dem europäischen Raum vergleichbar werden. Nach meinem Wissen wird diese Einordnung der beruflichen Grundbildung und der höheren Berufsbildungen ermöglicht, nicht aber der berufsorientierten Weiterbildung. Aus meiner Sicht wird damit eine Chance verpasst.

Es ist daher auch der berufsorientierten Weiterbildung im NQR-CH-BB Raum zu geben. Ich schlage vor, dass folgende Formulierung in die Verordnung aufgenommen wird:
„Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation kann unter bestimmten Bedingungen berufsorientierte Weiterbildungen in den NQR-CH-BB aufnehmen.“
Diese Formulierung zeigt auf, dass die Aufnahme der berufsorientierten Weiterbildung in den NQR-CH-BB nur unter sehr engen Bedingungen möglich werden soll. Aber wenn sich im europäischen Kontext für eine Ausbildung ein Bedarf zeigt, so soll diese Möglichkeit zumindest bestehen. Die schweizerische Weiterbildung soll nicht schlechter gestellt sein als die ausländische.

Es gibt Situationen, wo ausländische Branchenverbände in Delegation des Staates ihre „Weiterbildungen“ als formale Angebote anbieten und dementsprechend im NQR ausweisen. Diese Möglichkeit der Delegation besteht in der Schweiz nicht. Entsprechend sollten wir in diesen Situationen Weiterbildungen (=nonformale Angebote) von schweizerischen Branchenverbänden mit „Weiterbildungen“ von ausländischen Branchenverbänden (=formale Angebote) über den NQR vergleichbar machen. Es wäre schade, wenn wir diese Chance des NQR nicht packen würden.

Es ist klar, dass diese Arbeit nicht die dringendste ist, sondern dass zuerst die Einstufungen der beruflichen Grundbildungen und der höheren Berufsbildungen vorgenommen werden müssen. Aber wenn wir die berufsorientierte Weiterbildung nicht jetzt in den NQR-CH-BB aufnehmen, dann fehlen in wichtigen Momenten die legalen Grundlagen, um tätig werden zu können. Mit der engen Formulierung des Verordnungstextes behält das Staatssekretariat die Führung, verschliesst aber zugleich nicht die Türen, um in sinnvollen Situationen zugunsten der Schweizerischen Berufsbildung und der Schweizerischen Berufsleute reagieren zu können.

Weiterbildungsabschlüsse sind Teil der Weiterbildungslandschaft

Die Diskussion um das Weiterbildungsgesetz hat auf parlamentarischer Ebene begonnen. Ein wichtiges Thema ist die Definition von „Weiterbildung“. Leider fehlen in der bundesrätlichen Definition die Weiterbildungsabschlüsse. Sie bilden allerdings einen wichtigen Teil der Bildungslandschaft. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert daher, dass die Weiterbildungsabschlüsse ins Weiterbildungsgesetz aufgenommen werden.

Das in Diskussion stehende Weiterbildungsgesetz definiert Weiterbildung als nichtformale Bildung. Sie ist zusammen mit der formalen Bildung Teil der strukturierten Bildung. Die strukturierte Bildung und die informelle Bildung bilden miteinander das lebenslange Lernen (vgl. Bild).

Def WB

In dieser Definition, die als solche von Travail.Suisse akzeptiert wird, fehlt indes ein wichtiger Teil der Weiterbildungslandschaft. Während in der Definition der formalen Bildung die Bildungsabschlüsse erwähnt werden, fehlen diese bei der nichtformalen Bildung. Dabei gibt es auch im nichtformalen Bereich Abschlüsse. Zu erwähnen sind hier etwa die folgenden Weiterbildungsabschlüsse: SVEB-Zertifikat, Zertifikat Sachbearbeitung in den Berufen der Immobilienwirtschaft (Verbandszertifikat SVIT), Diplom Ranger des Bildungszentrum Wald Lyss oder Bibliothekar/in SAB[1].

Bedeutung der Weiterbildungsabschlüsse
Es wäre ein grober Fehler, wenn die Weiterbildungsabschlüsse nicht ins Weiterbildungsgesetz aufgenommen würden. Und zwar aus drei Gründen:

Erstens ermöglichen sie im nichtformalen Bildungsbereich standardisierte Abschlüsse, die in der Arbeitswelt eine wichtige Rolle spielen (können). Weiterbildungsabschlüsse verhelfen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Kreisen ihren Bedürfnissen entsprechend Ausbildungen aufzubauen, anzubieten und selber zu kontrollieren.

Zweitens entlasten die Weiterbildungsabschlüsse das formale System, indem sie durch Modularisierung, Referenzrahmen oder standardisierte Abschlüsse einen Bildungsbereich ordnen, ohne dass der Staat eingreifen muss. Weiterbildungsabschlüsse sind eine wichtige Ergänzung zu den Abschlüssen der höheren Berufsbildung. Eine Aufwertung der Weiterbildungsabschlüsse durch Aufnahme ins Weiterbildungsgesetz ist sowohl für die Weiterbildung wie auch die höhere Berufsbildung hilfreich.

Drittens können die Weiterbildungsabschlüsse eine wichtige Rolle im Verfahren zur Anrechnung von Weiterbildung an die formale Bildung spielen. Da es standardisierte Abschlüsse sind, ist durch ihre Transparenz die Anrechnung an das formale System einfacher zu bewerkstelligen.

Ergänzung der Definition
Travail.Suisse schlägt vor, dass die Weiterbildungsabschlüsse ins Weiterbildungsgesetz aufgenommen werden. Der Artikel 3 soll um folgenden Nebensatz ergänzt werden:

Art 3. Begriffe
In diesem Gesetz bedeuten:
Weiterbildung (nicht-formale Bildung): strukturierte Bildung ausserhalb der formalen Bildung, die zu Weiterbildungsabschlüssen führen kann.

Zudem ist es sinnvoll, wenn im Weiterbildungsgesetz (z.B. im Artikel 7) erwähnt wird, dass Weiterbildungsabschlüsse unter bestimmten Bedingungen zum nationalen Qualifikationsrahmen referenziert werden können. Die Bedingungen sollen in der Verordnung zum Weiterbildungsgesetz festgeschrieben werden. Eine Referenzierung erlaubt, dass unterschiedliche Abschlüsse miteinander verglichen werden können und damit auch einen Wert in der Bildungslandschaft zugunsten der Teilnehmenden erhalten.

Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung
3 Weiterbildungsabschlüsse können zum nationalen Qualifikationsrahmen referenziert werden. Die Bedingungen regelt die Verordnung.

Für die Stärkung der Weiterbildung drängt es sich auf, dass der Bund Organisationen der Weiterbildung darin unterstützen kann, Weiterbildungsabschlüsse aufzubauen. Der gegenwärtige Artikel 12 schliesst das in seiner Formulierung nicht aus. Eine bewusste Erwähnung der „Weiterbildungsabschlüsse“ zeigt aber auf, dass gerade für die Entwicklung der Weiterbildungslandschaft „Weiterbildungsabschlüsse“ sowohl im Hinblick auf die Transparenz wie auch im Hinblick auf die Qualität eine wichtige Rolle spielen können.

Art. 12 Finanzhilfen an Organisationen der Weiterbildung
1 Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) kann für Informations- und Koordinationsaufgaben, für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung sowie für die Entwicklung der Weiterbildung und den Aufbau von Weiterbildungsabschlüssen im Rahmen der bewilligten Kredite Finanzhilfen an Organisationen der Weiterbildung gewähren oder mit ihnen Leistungsvereinbarungen abschliessen.

Da Weiterbildungsabschlüsse sowohl ein Gewinn für den Staat, die Wirtschaft, die Gesellschaft und die einzelnen Personen darstellen, dürfen sie vom Weiterbildungsgesetz nicht übergangen, sondern müssen gezielt aufgenommen werden.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse (17.06.13)

 


[1] Weitere Weiterbildungsabschlüsse: Personalassistent/in mit Zertifikat, SFV-Zertifikat Leadership, Zertifikat «Sachbearbeiter/in Personalwesen», edupool.ch/KV Schweiz, DAS Evaluation (Uni Bern), «Zertifizierte/r Gutachter/in KEB» der unabhängigen Kommission Expertisen und Gutachten des Verbandes JardinSuisse, Zertifizierter Pharmaberater/In shqa (Verbandszertifikat), Verbandszertifikat «Bewegungspädagoge/-pädagogin BGB». Quelle: André Schläfli, SVEB. Vgl. auch Berufliche Ausbildung für Erwachsene, Schweizerischer Verband für Berufsberatung SVB, 2011, .