Archiv der Kategorie: Weiterbildungsgesetz

Erwachsene und der Zugang zur Bildung

Die Höhere Berufsbildung (formal), die Weiterbildung (nonformal) und die informelle Bildung sind wichtige Bereiche der Bildung von Erwachsenen. Alle drei Bereiche sind in Bewegung, sei es in Bezug auf die rechtlichen Regelungen, die Finanzierung oder die Verantwortlichkeiten. Die Gemeinsamkeit der Reformen in den drei genannten Bereichen ist, dass der Zugang der Erwachsenen zu diesen Bildungsbereichen verbessert werden soll. Denn nicht alle Erwachsenen können in genügendem Masse an der für sie vorgesehenen Bildung teilnehmen. Gerade unter den Erwachsenen nimmt die Schere zwischen den Bildungsschichten eher zu als ab.

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Der Artikel ist erschienen im Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 4/2016, S. 60f.

Hochschulweiterbildung: Der Rahmen ist jetzt zu schaffen!

Am 1. Januar 2017 tritt das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz WeBiG in Kraft. Sein Zweck ist es, die Weiterbildung im Bildungsraum Schweiz zu stärken (vgl. Art. 1.1 WeBiG). Die Hochschulen haben sich im Gesetzgebungsprozess dafür eingesetzt, dass sie die Umsetzung der Grundsätze des WeBiG in ihrer Zuständigkeit behalten (vgl. Art. 2.2 WeBiG). Nun ist es aus Sicht von Travail.Suisse an der Zeit, diese Aufgabe raschmöglichst an die Hand zu nehmen.

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Begünstigung der Weiterbildung

Am 1. Januar 2017 tritt das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz WeBiG in Kraft. Sein Zweck ist es, die Weiterbildung im Bildungsraum Schweiz zu stärken (vgl. Art. 1.1 WeBiG).

Unter anderem verlangt das Weiterbildungsgesetz von den öffentlichen und privaten Arbeitgebern, dass sie die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begünstigen (Art. 5.2 WeBiG). Konk-ret bedeutet dies, dass sie ihre Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeitenden auch im Hinblick auf die Weiterbildung wahrzunehmen haben, indem sie zum Beispiel ein günstiges Umfeld für Bildung im Unter-nehmen schaffen. Dabei appelliert das WeBiG bei der Umsetzung der Fürsorgepflicht an die Selbstverantwortung der Arbeitgeber. Aus Arbeitnehmersicht darf daher erwartet werden, dass ein Arbeitgeber in einem betrieblichen Weiterbildungsleitbild den Mitarbeitenden aufzeigt, wie er seine „Selbstverantwortung“ in Bezug auf die Weiterbildung wahrnehmen will und wie er seine finanzielle, zeitliche und organisatorische Unterstützung der Mitarbeitenden im Hinblick auf die Weiterbildung sieht.

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Bleibt das Weiterbildungsgesetz toter Buchstabe?

Am 1. Januar 2017 beginnt eine neue Ära in der Weiterbildungspolitik der Schweiz. Auf dieses Datum hin tritt das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz WeBiG in Kraft. Am 2. Oktober 2015 ging die Vernehmlassungsfrist für die Verordnung zum Weiterbildungsgesetz (WeBiV) zu Ende. Aus dem Verordnungsentwurf lassen sich erste Hinweise gewinnen, welche Kraft dieses Gesetz für die Bewältigung verschiedener wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Probleme entwickeln wird. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ergibt sich ein sehr durchzogenes Bild.

Das Weiterbildungsgesetz ist als Rahmengesetz konzipiert. Es bildet den Rahmen für alle Bundes- und Kantonsgesetze, in denen Weiterbildung ein Thema ist. Die Spezialgesetze der Weiterbildung haben die Regelungen des Rahmengesetzes zu beachten, zum Beispiel die Ziele nach Art. 4 WeBiG oder die Grundsätze nach Art. 5 – 9 WeBiG. Von diesem Rahmengesetz sind also vor allem Bund und Kantone betroffen, und zwar bezogen auf ihre Gesetzgebung, ihre Finanzierung und ihre Angebote von Weiterbildung. Die nicht-staatliche Welt wird zwar vom Weiterbildungsgesetz auch erwähnt. Sie wird aber hauptsächlich auf ihre Selbstverantwortung (vgl. Art. 5.2 und Art. 6.1 WeBiG) hin angesprochen.

Mehrwert für die Teilnehmenden nur bei Koordination

Travail.Suisse geht davon aus, dass durch das Weiterbildungsgesetz ein Mehrwert für die Teilnehmenden an Weiterbildung entsteht. Dieser Mehrwert soll sich sowohl im Hinblick auf den Arbeitsmarkt wie auch im Hinblick auf den Bildungsmarkt auszahlen. Er hängt engstens mit der Transparenz im Weiterbildungsmarkt, der Qualität der Weiterbildung und der Vereinfachung der Anerkennung von non-formalen Bildungsleistungen an das formale Bildungssystem zusammen.

Spannend ist nun zu sehen, dass in Art. 2.2 WeBiG die Umsetzung der Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes im Hochschulbereich den hochschulpolitischen Organen übertragen wird. In anderen Bereichen, zum Beispiel im Berufsbildungsbereich oder im Bereich der Arbeitslosenversicherung fehlt aber eine solche Kompetenzübertragung. Wer hat hier nun in Bezug auf die Spezialgesetze die Aufgabe und die Kompetenz, die Grundsätze auszulegen und umzusetzen? Der Verordnungsentwurf des Bundes zum Weiterbildungsgesetz gibt darauf keine Antwort. Als Organisation der Arbeitswelt hat Travail.Suisse allerdings ein Interesse daran, dass für die Teilnehmenden das Weiterbildungssystem transparenter wird. Bund und Kantone sind daher aufgefordert, koordiniert Grundregeln für die Umsetzung der Grundsätze in den eidgenössischen und kantonalen Spezialgesetzen zu schaffen. Dazu braucht es aber ein Organ, das diese Arbeit wahrnimmt. Travail.Suisse fordert, dass Bund und Kantone in Bezug auf die von ihnen geregelte Weiterbildungstätigkeit eine Konferenz zur koordinierten Umsetzung der Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes Art. 5 – 9 und zur Konkretisierung der Ziele Art. 4 WeBiG schaffen. Dabei sollen sie auch die Organisationen der Arbeitswelt und die Organisationen der Weiterbildung mit beratender Stimme miteinbeziehen. Das bietet die Chance, dass der staatliche und der nicht-staatliche Bereich voneinander lernen und sich bei verschiedenen Fragen in die gleiche Richtung entwickeln können.

Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener bedingen finanzielles Engagement

Das Weiterbildungsgesetz enthält auch spezialgesetzliche Regelungen, und zwar im Hinblick auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener (Art. 13-16 WeBiG). Die Regelungen in der vorgeschlagenen Verordnung sind grundsätzlich zu begrüssen. Vor allem die Erarbeitung von strategischen Zielen, die alle vier Jahre überprüft werden, bildet eine gute Basis für die Entwicklung dieses Bildungsbereiches (Art. 8 WeBiV). Allerdings wird zu einseitig auf die Umsetzung durch die Kantone gesetzt (vgl. Art. 9 WeBiV). Gerade wenn auf der Ebene von Branchen gesamtschweizerische Projekte ins Auge gefasst werden oder die strategischen Ziele nahelegen, dass der Bund eine nationale Kampagne fahren soll, fehlen die entsprechenden Möglichkeiten in der Verordnung. Es sind daher entsprechende Ergänzungen vorzusehen: „Die Umsetzung der vereinbarten strategischen Ziele erfolgt mittels Programmen a. einzelner oder mehrerer Kantone b. gesamtschweizerisch tätiger Organisationen der Arbeitswelt c. des Bundes“. Das Hauptproblem im Hinblick auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener steckt allerdings nicht in der Verordnung. Diese würde eine zukunftsfähige Politik in diesem Bildungsbereich ermöglichen. Das Problem sind die Finanzen. Die Weiterbildungsbotschaft sieht ein Finanzvolumen des Bundes in dieser Frage von 2 Millionen Franken pro Jahr vor. Damit bewegt man kaum etwas. Soll das neue Gesetz etwas bewirken, so muss die Politik über die Bücher gehen und im Rahmen der Finanzbotschaft in Bezug auf Bildung, Forschung und Innovation (BFI-Botschaft 2017-2020) einen angemessenen Betrag für den Bereich Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener sprechen. Finanzen sind notwendig für den Aufbau von Strukturen, für die Teilnehmergewinnung und die Durchführung von Bildungsprojekten. Erste Berechnungen zum Beispiel vom Schweizerischen Verband für Weiterbildung SVEB, bei dem Travail.Suisse seit Jahren im Vorstand mitarbeitet, zeigen, dass etwa 6 Millionen Franken pro Jahr, das heisst über vier Jahre rund 24 Millionen Franken, notwendig sind, um erste positive Effekte zu erzielen. Die 24 Millionen Franken sollten dabei progressiv über die vier Jahre verteilt werden.

Koordination und Finanzen sind entscheidend

Das Weiterbildungsgesetz ist von Seiten von Travail.Suisse mit Hoffnungen verbunden. Allerdings ist die Gefahr gross, dass das Gesetz toter Buchstabe bleibt, wenn nicht der Bund ein Koordinationsorgan schafft zur Umsetzung der Ziele und Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes und das Parlament nicht die Finanzen zugunsten des Erwerbs und des Erhalts von Grundkompetenzen erhöht.

Verordnung zur Weiterbildung: Die wichtige Frage der nationalen Koordination ist nicht gelöst

Am 2. Oktober 2015 endete die Vernehmlassungsfrist zur Verordnung zum Weiterbildungsgesetz. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, werden mit dieser Verordnung wichtige Weichenstellungen für die Entwicklung der Weiterbildung in der Schweiz vorgenommen. Allerdings hängt die Umsetzung des Weiterbildungsgesetzes nicht nur von der Verordnung selber, sondern auch von den vorhandenen finanziellen Mitteln ab, die im nächsten Jahr im Rahmen der BFI-Botschaft für die Jahre 2017 bis 2020 vom Parlament definiert werden. Angesichts des herrschenden Spardrucks ist zu befürchten, dass es die Weiterbildung schwer haben wird.

Das Weiterbildungsgesetz (WeBiG) hat das Globalziel, die Weiterbildung als Teil des lebenslangen Lernens im Bildungsraum Schweiz zu stärken und den Erwerb und den Erhalt der Grundkompetenzen Erwachsener zu fördern. Die vorliegende Verordnung (WeBiV) weist grundsätzlich in die richtige Richtung.

Die seit Jahrzehnten geübte Praxis, dass gesamtschweizerische Organisationen der Weiterbildung für ihre übergeordnete Leistung für die Weiterbildung vom Bund unterstützt werden, findet nun in einer Verordnung ihre klarere Regelung. Das ist zu begrüssen. Zu unterstützen ist insbesondere die Neuerung, dass sich Finanzhilfen nach der Dauer einer BFI-Periode richten (Art. 3.3 WeBiV). Das schafft mehr Sicherheit für die Organisation der Weiterbildung und mehr Transparenz und Synergiemöglichkeiten unter den verschiedenen Organisationen der Weiterbildung (Art.4.4 (WeBiV).

Auch die Regelungen bzgl. dem Erwerb und dem Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener sind unterstützungswürdig. Vor allem die Erarbeitung von strategischen Zielen, die alle vier Jahre überprüft werden, bildet eine gute Basis für die Entwicklung dieses Bildungsbereiches (Art. 8 WeBiV). Allerdings wird zu einseitig auf die Umsetzung durch die Kantone gesetzt. Gerade wenn auf der Ebene von Branchen gesamtschweizerische Projekte ins Auge gefasst werden oder die strategischen Ziele nahelegen, dass der Bund eine nationale Kampagne fahren soll, fehlen die entsprechenden Möglichkeiten in der Verordnung. Hier muss die Verordnung nachgebessert werden.

Umsetzung muss vom Bund koordinert werden

Ganz problematisch ist, dass sich der Bund in dieser Verordnung der Frage entzieht, wie die Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes (Art. 5-9 WeBiG) in den Dutzenden von Spezialgesetzen koordiniert umgesetzt werden sollen. Dazu braucht es unbedingt ein Koordinationsorgan zwischen Bund und Kantonen, in dem auch die Organisationen der Arbeitswelt und die Organisationen der Weiterbildung mit beratender Stimme Einsitz haben sollen. Ohne ein solches Organ schafft das neue Gesetz kaum einen Mehrwert für die Teilnehmenden. Das neue Gesetz sollte aber gerade im Hinblick auf die Transparenz, die Qualität und die Vereinfachung der Anerkennung von non-formalen Bildungsleistungen an das formale Bildungssystem Vorteile gegenüber der heutigen Situation schaffen. Das verlangt aber, dass insbesondere Art. 6 WeBiG nicht in jedem Spezialgesetz und nicht in jedem Kanton unterschiedlich umgesetzt wird.

Schafft der Bund kein Organ, dass die Ziele nach Art. 4 WeBiG konkretisiert und die Umsetzung der Art. 5-9 WeBiG koordiniert, bleibt das Weiterbildungsgesetz auf weite Strecken toter Buchstabe. Wenn dann noch das Parlament in diesem Bereich spart, wird das neue Weiterbildungsgesetz keine Hilfe sein bei der Bewältigung der demografischen Herausforderung und des Fachkräftemangels.

Vernehmlassung WeBiV Travail.Suisse

PH SRK als Chance für Menschen ohne Berufsabschluss

Kurztext für die Fachtagung „PflegehelferInnen SRK stärken“ vom 02.09.2104

Damit Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt reüssieren, wird es immer wichtiger, dass sie über einen Abschluss verfügen, der in ihrem Berufsfeld anerkannt wird. Dies kann ein Berufsbildungs- oder Weiterbildungsabschluss sein.

Für Erwachsene, die einen Berufsabschluss nachholen wollen, sieht das Berufsbildungsgesetz, verschiedene Wege vor: eine reguläre berufliche Grundbildung, eine verkürzte berufliche Grundbildung, eine direkte Zulassung zum Qualifikationsverfahren und eine Validierung der Bildungsleistungen. Alle diese Wege sind für Erwachsene ohne Berufsabschluss an-spruchsvoll: inhaltlich, zeitlich, finanziell und organisatorisch. Für viele Betroffene stellt sich die Frage: Wie kann ich die Arbeit, die Bildung, das Familienleben und die Finanzierung unter einen Hut bringen?

Die Ausbildung zur Pflegehelferin SRK ist keine Ausbildung nach Berufsbildungsgesetz. Es ist ein Weiterbildungsabschluss, der aber im Gesundheitsbereich anerkannt und geschätzt wird. Für die Teilnehmenden an dieser Ausbildung ist insbesondere interessant, dass schon nach einer relativ kurzen Ausbildungsdauer (120 Theoriestunden, 12 Tage Praktikum) als Pflegehelferin gearbeitet werden kann. Auch die Kosten – in etwa CHF 2500.00 – sind überschaubar.

Aufgrund der kurzen Ausbildungsdauer ist es wichtig, dass Pflegehelferinnen einen regelmässigen Zugang zu internen und externen Weiterbildungen haben. Denn sie übernehmen Verpflichtungen in einem komplexen und sich entwickelnden Arbeitsfeld, ihre Arbeit ist existenziell herausfordernd, die Verantwortlichkeiten im Team sind streng geregelt und müssen ver-standen und eingehalten werden. Der Weiterbildungsabschluss PH SRK ist daher mit regelmässigen Weiterbildungen zu ergänzen. Dabei macht es Sinn, wenn die Bildungsanbieter ihre Angebote aus Qualitätsgründen und im Hinblick auf die Anrechnung von Bildungsleistungen an einen weitergehenden Abschluss koordinieren.

„Kein Abschluss ohne Anschluss!“ Dieser Grundsatz des schweizerischen Bildungssystems soll auch für den Weiterbildungsabschluss PH SRK gelten. Er soll für Interessierte die Tür öffnen zu einem Berufsbildungsabschluss wie etwa dem zur Assistentin Gesundheit, ein Be-rufsbildungsabschluss auf dem Niveau Berufsattest, der 2011 eingeführt wurde.
Der Gesundheitsbereich hat es in der Hand, ein interessantes Modell für den Berufseinstieg von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu entwickeln. Mit dem Weiterbildungsabschluss PH SRK existiert bereits ein niederschwelliger, schweizweit koordinierter Einstieg in eine anerkannte und nachgefragte Berufstätigkeit. Wenn es nun noch gelingt, ein koordiniertes Konzept zur Erlangung eines Berufsbildungsabschlusses zu etablieren, das die besonderen Bedürfnisse von Erwachsenen ernstnimmt, dann hat man viel erreicht. Und zwar sowohl für die Er-wachsenen ohne Berufsabschluss, die damit einen gangbaren Weg in eine interessante Tätigkeit mit Entwicklungsmöglichkeiten sehen wie auch für den Gesundheitsbereich selber, der vor allem in der Langzeitpflege und -betreuung angesichts der demografischen Entwicklung auf motivierte Arbeitnehmende auf verschiedenen Stufen angewiesen ist.

Sowohl das neue Weiterbildungsgesetz (Art. 7: Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung) wie auch der Bericht des Bundes „Berufsabschluss und Berufswechsel für Erwachsene – Bestehende Angebote und Empfehlungen für die Weiterentwicklung“ motivieren die Branchenverbände, sich solche Konzeptüberlegungen auf nationaler Ebene zu machen.

Weg frei für das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz

Communiqué

Heute hat der Nationalrat die letzten beiden Differenzen zum Ständerat bereinigt und damit den Weg frei gemacht zum ersten eidgenössischen Weiterbildungsgesetz (WeBiG). Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, ist darüber sehr erfreut. Damit wird erstmals eine koordinierte Weiterbildungspolitik auf nationaler Ebene möglich.

Besonders begrüsst Travail.Suisse die Regelungen über die Grundkompetenzen. In Zukunft hat sich der Bund gemeinsam mit den Kantonen dafür einzusetzen, dass Erwachsenen mit fehlenden Grundkompetenzen der Erwerb dieser Grundkompetenzen und deren Erhalt ermöglicht wird (vgl. Art. 14 WeBiG). Die Grundkompetenzen sind eine wichtige Voraussetzung für die berufliche Nachholbildung Erwachsener und die Beteiligung weiterbildungsferner Personen an der Weiterbildung. Für die Zukunft wichtig ist auch, dass das Gesetz Bund und Kantone zur Koordination ihrer Aktivitäten im Weiterbildungsbereich auffordert (vgl. Art. 4d). „Dank den koordinierten Aktivitäten können Zielgruppen erreicht werden, die bisher nicht in den Genuss von Weiterbildung gekommen sind“, ist Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik bei Travail.Suisse, überzeugt.

Das Weiterbildungsgesetz – Eine Bewertung aus Sicht von Travail.Suisse

Vortrag gehalten anlässlich der Fachkommissionsitzung Wissenschaft, Bildung und Kultur der SP Schweiz:
Dienstag, 11. Juni 2013, 18.15-19.45 Uhr, Bundeshaus, Zimmer 286.

Grundsätzliche Bemerkungen:
Dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf kann zugestimmt werden. Er enthält keine grundsätzlichen Fehler, die dazu zwingen würden, ihn abzulehnen. Allerdings ist in der parlamentarischen Arbeit daraufhin zu arbeiten, dass das Gesetz durch einige Anpassungen aufgewertet wird.

Definition von Weiterbildung Art. 3:
Mit der vorliegenden Definition des lebenslangen Lernens kann man leben.

  • Sie bringt Klarheit in die Begrifflichkeit. Allerdings nur, wenn sie sauber angewendet wird, was gerade bei Statistiken oft Probleme schafft.
  • Mit dieser Definition in Art. 3 lässt sich das Problem der Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung darstellen (vgl. Art. 7)
  • Die Definition macht aber auch darauf aufmerksam, worüber das Weiterbildungsgesetz schweigt, nämlich über das Phänomen der Weiterbildungsabschlüsse. Sie existieren. Sie kommen aber in der Definition nicht vor.-

Das Weiterbildungsgesetz muss in Art. 3 die Weiterbildungsabschlüsse aufnehmen:

Art 3. Begriffe
In diesem Gesetz bedeuten:
1. Weiterbildung (nicht-formale Bildung): strukturierte Bildung ausserhalb der formalen Bildung, (neu) die zu Weiterbildungsabschlüssen führen kann.

Weiterbildungsabschlüsse (neu)
Weiterbildungsabschlüsse spielen in der Bildungslandschaft aus zwei Gründen eine wichtige Rolle:

Erstens ermöglichen sie im nichtformalen Bildungsbereich standardisierte Abschlüsse, die gerade im Verfahren zur Anrechnung von Weiterbildung an die formale Bildung wichtig sein können und auch auf dem Arbeitsmarkt ihren Wert haben.

Zweitens entlasten die Weiterbildungsabschlüsse das formale System, indem sie einen Bildungsbereich ordnen, ohne dass der Staat eingreifen muss (Modularisierung, Referenzrahmen, standardisierte Abschlüsse).

Gesetzlich wäre es sinnvoll, wenn in Artikel 12 erwähnt würde, dass der Bund Organisationen der Weiterbildung darin unterstützen kann, Weiterbildungsabschlüsse aufzubauen.

Zudem wäre es sinnvoll, wenn im Gesetz (z.B. im Artikel 7) erwähnt würde, dass Weiterbildungsabschlüsse unter bestimmten Bedingungen zum Nationalen Qualifikationsrahmen referenziert werden können.

Verantwortung Art. 5
Nach dem Weiterbildungsgesetz sollen die Arbeitgeber die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begünstigen. Diese Bestimmung wird gemäss dem erläuternden Bericht als Appell, nicht als Verpflichtung verstanden. Das heisst die Arbeitgeber, die diesem Appell nicht nachkommen, haben keine Konsequenzen zu fürchten. Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt daher nahe bei Null. Das Weiterbildungsgesetz sollte daher eine Bestimmung aufnehmen, die Konsequenzen für die Arbeitgeber vorsieht, welche die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden nicht begünstigen.

1 Der einzelne Mensch trägt für sich die Verantwortung, sich weiterzubilden.
2 Die öffentlichen und die privaten Arbeitgeber begünstigen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (neu) Die Verordnung regelt die Sanktionsmöglichkeiten für die Nichtwahrnahme dieser Aufgabe.

Mit Sanktionen reagiert werden muss, wenn z.B. Betriebe nicht bereit sind, im Zusammenhang mit Projekten im Bereich der Grundkompetenzen zu kooperieren oder Angestellte erwerbslos werden. Beim Eintritt der Erwerbslosigkeit soll festgestellt werden, ob eine Person – rückblickend auf die letzten zehn Jahre – Weiterbildung erhalten hat oder nicht. Arbeitgeber, die nichts oder zu wenig unternommen haben, um ihre MitarbeiterInnen weiterzubilden, sollen bis zu maximal 66 Taggelder (drei Monate) der Arbeitslosenkasse übernehmen müssen.

Im Grundsatz soll gelten, dass Arbeitnehmende im Durchschnitt drei Tage Weiterbildung pro Jahr erhalten. Die Dauer der Weiterbildung wie auch die vermittelten Fähigkeiten und Kompetenzen werden in einer Bestätigung festgehalten.

Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung Art. 7
Die Bildungsgesetzgebung sieht die Möglichkeit von Nachholbildungen, zum Beispiel durch Anerkennung von Bildungsleistungen, vor. Es ist aber heute nicht so ausgestaltet, dass Nachholbildungen bewusst gefördert werden. Der Arbeitsmarkt ist jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels verstärkt auf Nachholbildungen angewiesen, insbesondere auf Nachholbildungen von Personen, die noch über keinen beruflichen Erstabschluss verfügen. Eine Studie von Travail.Suisse zeigt, dass in der Schweiz von den rund 600’000 Personen im erwerbsfähigen Alter ohne beruflichen Erstabschluss rund 52’000 Personen sich sehr eignen würden, eine Nachholbildung über die Anerkennung von Bildungsleistungen zu erreichen. Um dieses Potential auszunützen, schlägt Travail.Suisse eine gesetzliche Regelung im Weiterbildungsgesetz vor, und zwar eine Ergänzung im Artikel 7:

«Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung
1 Bund und Kantone sorgen mit ihrer Gesetzgebung für transparente und möglichst gleichwertige Verfahren zur Anrechenbarkeit von Weiterbildung und informeller Bildung an die formale Bildung.
3 (neu) Sie ergreifen zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.»

Es wäre schade, wenn diese Chance nicht gepackt und das Potential an Nachholbildungen nicht genützt würde. Denn die Alternative zu mehr Nachholbildungen sind erstens mehr Migration und zweitens höhere Kosten bei der sozialen Sicherheit.

Lösung von gesellschaftlichen Problemen
Weiterbildung kann mithelfen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Diese Möglichkeit wird leider im vorliegenden Gesetzesentwurf in keiner Art und Weise ergriffen. Dabei könnte mit einer kleinen Bestimmung und einem bescheidenen Budget der gesellschaftliche Wert des Weiterbildungsgesetzes massiv erhöht werden. Die Idee, dass Problemlösungen immer über Spezialgesetze angepackt werden sollen und daher im Weiterbildungsgesetz keine Fördertatbestände aufgeführt werden dürfen, schwächt die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. Nicht für alle gesellschaftlichen Probleme braucht es ein Spezialgesetz. Manchmal genügt eine Anschubfinanzierung über einen Projektfonds, um die Lösung gesellschaftlicher Probleme anzustossen. Solche Projekte sind zum Beispiel in der Seniorenbildung[1] denkbar, aber auch in der Elternbildung oder in der politischen Bildung.

Travail.Suisse erachtet es als absolut notwendig, dass das Weiterbildungsgesetz einen Projektfonds zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen vorsieht. Ohne einen solchen Fonds von etwa 12 Millionen Franken pro Jahr vergibt sich die Schweiz eine grosse Chance, mit relativ geringen Mitteln, die Weiterbildung zu einem wichtigen Instrument der gesellschaftlichen Problemlösung zu machen.

Reform der berufsorientierten Weiterbildung
Travail.Suisse schlägt vor, dass parallel zur Diskussion des Weiterbildungsgesetzes auch die Artikel im Berufsbildungsgesetz zur berufsorientierten Weiterbildung (Art.30-32 BBG) reformiert werden. Um wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg, den älteren Arbeitnehmenden und der Nachholbildung lösen zu können, ist eine Reform absolut nötig.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse

 


[1] Beispiel: In Zukunft sind wir vielleicht darauf angewiesen, dass ehrenamtliche Senioren und Seniorinnen bei der Begleitung von Demenzkranken mithelfen. Ein Projektfonds im Weiterbildungsgesetz sollte ermöglichen, dass eine kompetente Organisation eine Anschubfinanzierung erhält, um ein Projekt aufzubauen, in deren Folge ehrenamtliche BegleiterInnen  ausgebildet werden können. Die Anschubfinanzierung umfasst z.B. die Finanzierung des Projektleiters in der Aufbauphase, die Erstellung der Bildungsunterlagen und die Ausbildung der ersten AusbildnerInnen, die vor Ort mit den Senioren und Seniorinnen arbeiten.

Selbstverantwortung dank Obligatorium

Drei Tage obligatorische Weiterbildung für alle, finanziert durch die Arbeitgeber: Diese Forderung von Travail.Suisse, der Dachorganisation der Arbeitnehmenden, stösst auf Seiten der Arbeitgeber in ersten Reaktionen auf Ablehnung. Der Grundkonflikt liegt dabei im Verständnis und der Bedeutung der Selbstverantwortung für die Weiterbildung.

In der Diskussion um die Weiterbildungspolitik wird oft der Begriff der Selbstverantwortung verwendet. Gemeint ist in diesem Zusammenhang, dass der Staat in diesen Bereich nicht (oder nur koordinierend) eingreifen soll. Für die Weiterbildung sind einerseits die Wirtschaft (Betriebe, Branchen) und andererseits die Arbeitnehmenden verantwortlich, so die oft vertretene Meinung.

Selbstverantwortung allein genügt nicht

Die statistischen Daten zur berufsorientierten Weiterbildung zeigen aber, dass die Selbstverantwortung allein nicht genügt. Es gibt zu viele Personen, die im System der Selbstverantwortung den Zugang zur Weiterbildung nicht finden. Die Hürden sind für viele zu hoch. Das Ergebnis ist eine gespaltene Gesellschaft, in der nur ein Teil von Weiterbildung profitiert, nämlich vor allem die gut ausgebildeten Personen. Das zu schaffende Weiterbildungsgesetz muss hier Gegensteuer geben. Es darf nicht sein, dass die Schweizer Wirtschaft das Potenzial der Weiterbildung nicht voll ausnutzt und viele Arbeitnehmende durch fehlende Weiterbildung Mühe haben, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten.

Ein minimales Obligatorium zur Stärkung der Selbstverantwortung

Travail.Suisse fordert daher, dass ins neu zu schaffende Weiterbildungsgesetz folgender Artikel aufgenommen wird:

„Die Betriebe gewähren und finanzieren allen ihren Arbeitnehmenden drei Tage obligatorische Weiterbildung jährlich“.

Auf den ersten Blick scheint dies ein Eingriff in die Selbstverantwortung der Wirtschaft und der Arbeitnehmenden zu sein. Beim genaueren Hinsehen wird indes klar, dass mit dieser minimalen Forderung eine Stärkung der Selbstverantwortung verbunden ist.

Neue Weiterbildungsangebote für weniger Qualifizierte

Ein Weiterbildungsobligatorium wird dazu führen, dass endlich auch eine breitere Palette von Weiterbildungsangeboten für weniger qualifizierte Personen entstehen wird. Diese Angebote fehlen heute weitgehend. Es ist daher gerade auch für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmenden hilfreich, wenn als Folge eines Obligatoriums ein Weiterbildungsangebot geschaffen wird, das sowohl inhaltlich wie auch didaktisch und methodisch den Bedürfnissen der weniger qualifizierten Arbeitnehmenden angepasst ist. Damit wird die Weiterbildung von weniger qualifizierten Arbeitnehmenden erst richtig möglich.

Ausbau der sozialpartnerschaftlichen Regelungen

Die Umsetzung des Obligatoriums wird auch begleitet sein vom Ausbau der Branchenfonds und der sozialpartnerschaftlichen Regelungen (Gesamtarbeitsverträge). Denn die Wirtschaft wird bestrebt sein, das Obligatorium so effizient und effektiv umzusetzen wie nur irgendwie möglich. Dazu bietet sich der Aufbau von branchenspezifischen Weiterbildungszentren an, die von Bildungsfonds getragen werden und sich zum Beispiel im Bausektor bewährt haben. Somit schränkt das minimale Obligatorium die Selbstverantwortung der Wirtschaft nicht ein, sondern wird sie eher stärken.

Mehr als drei Tage sind nicht verboten

Eine aktuelle Untersuchung des Bundesamtes für Statistik[1] zeigt, dass bei Personen, die einmal an einer Weiterbildung teilgenommen haben, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie weitere Kurse besuchen. Travail.Suisse fordert daher nur drei Tage obligatorische Weiterbildung pro Jahr. Wir gehen davon aus, dass dieses Minimum vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden den Anstoss dazu gibt, selbstverantwortlich mehr Weiterbildung zu wollen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse

 

 

 

 

 



[1] https://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/15/07/ind19.indicator.190203.1902.html

 

Weiterbildungsobligatorium – na klar

Travail.Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert, dass die Arbeitgeber ihren Angestellten obligatorisch mindestens drei Tage Weiterbildung pro Jahr ermöglichen und finanzieren. Diese Forderung soll im neu zu schaffenden Weiterbildungsgesetz verankert werden. Sie steht im Gegensatz zum heute prägenden Standpunkt, dass Weiterbildung allein Sache des Einzelnen ist. Travail.Suisse ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung über diese zwei unterschiedlichen Positionen zeigen wird, dass für die Einführung eines minimalen Obligatoriums viele gute Gründe sprechen, gerade auch im Hinblick auf die Stärkung der Selbstverantwortung.

In der Schweiz existieren weder ein allgemeines Recht noch eine allgemeine Pflicht zur Weiterbildung. Prägender Begriff des schweizerischen Weiterbildungssystems ist der Begriff „Selbstverantwortung“. Beachtet man die Weiterbildungsstatistik der Schweiz, so wird man allerdings nicht umhin kommen zu sagen: Unter dem Prinzip „Selbstverantwortung“ ist zwar viel Positives entstanden. Aber insgesamt stellt sich die Weiterbildungssituation in der Schweiz als nicht besonders überzeugend dar. Vor allem weniger Qualifizierte, Angestellte in kleineren Betrieben, Personen in unteren Chargen und Frauen sind in der Weiterbildung massiv untervertreten. Was ist der Grund dafür?

Rahmenbedingungen sind nicht für alle gleich

Selbstverantwortung in Sachen Weiterbildung ist einfacher wahrzunehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In der Schweiz gilt der Grundsatz, dass wer über mehr persönliche Ressourcen (Bildung, Finanzen) verfügt, vom Arbeitgeber auch eher für Weiterbildungsmassnahmen in Form von Zeit und Geld unterstützt wird. Wer hingegen über weniger persönliche Ressourcen (Bildung, Finanzen) verfügt, wird vom Arbeitgeber kaum finanzielle und zeitliche Unterstützung erhalten. Für diese Personen ist es daher üblicherweise auch viel schwieriger und manchmal sogar unmöglich, an einer Weiterbildung teilzunehmen. Die Forderung, dass der Arbeitgeber allen Angestellten mindestens drei Tage Weiterbildung zu ermöglichen hat, möchte die frappante Ungleichbehandlung minimieren. Allen soll die Möglichkeit eröffnet werden, an Weiterbildung teilzunehmen.

Nicht auf die Verweigerer hören

Gegen diese Idee werden viele Arbeitgeber opponieren, vor allem jene, die nicht bereit sind, ihre Angestellten weiterzubilden. Für sich selber und ihren Betrieb fordern sie zwar optimale Wettbewerbsbedingungen (tiefe Steuern, wenig administrative Hürden, gut ausgebildetes Personal). Ihren Angestellten verweigern sie aber die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. So kann es vorkommen, dass bei Betriebsschliessungen für Angestellte Lösungen gefunden werden müssen, die während 20 Jahren nie weitergebildet wurden und deshalb bildungsungewohnt sind. Sie sind kaum mehr arbeitsmarktfähig, wenig flexibel und damit schwer oder nicht mehr vermittelbar. Die Meinung der Verweigerer darf nicht der Standard einer modernen Industrie- und Dienstleistungswirtschaft sein. Die drei Tage obligatorische Weiterbildung müssen als Minimum für alle gelten.

Weiterbildung scheitert oft an der Planung

Viele Arbeitsverträge sehen heute schon die Möglichkeit von Weiterbildung vor. Oft werden die Möglichkeiten aber nicht genutzt. Warum? Ein wichtiger Grund ist, dass die Weiterbildung in einem Betrieb nicht – wie zum Beispiel die Ferien – geplant wird. Wenn dann der Wunsch aufkommt, diese oder jene Weiterbildung zu machen, fehlt oft die Zeit oder die Möglichkeit, sich dazu im Betrieb freizumachen. Ein Obligatorium würde hier Abhilfe schaffen, weil dann Weiterbildung frühzeitig in die Ressourcenplanung eines Betriebs aufgenommen werden muss.

Fehlende Angebote für wenig Qualifizierte

Die Weiterbildungssituation ist auch davon geprägt, dass das Angebot für wenig Qualifizierte nicht optimal ausgebaut ist. Weil die Arbeitgeber kaum oder wenig in die unteren Chargen investieren, ist auch kein entsprechender Markt entstanden. Kurse für Manager gibt es zuhauf. Bildungsangebote für Gruppenleiter auf unterer Stufe finden sich kaum. Ein Obligatorium würde diese Situation verändern und endlich auch ein spannendes Angebot für wenig qualifizierte Personen entstehen lassen, und zwar mit einer Methodik und Didaktik, die auf diese Personen besonders Rücksicht nimmt.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse