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Weg frei für das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz

Communiqué

Heute hat der Nationalrat die letzten beiden Differenzen zum Ständerat bereinigt und damit den Weg frei gemacht zum ersten eidgenössischen Weiterbildungsgesetz (WeBiG). Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, ist darüber sehr erfreut. Damit wird erstmals eine koordinierte Weiterbildungspolitik auf nationaler Ebene möglich.

Besonders begrüsst Travail.Suisse die Regelungen über die Grundkompetenzen. In Zukunft hat sich der Bund gemeinsam mit den Kantonen dafür einzusetzen, dass Erwachsenen mit fehlenden Grundkompetenzen der Erwerb dieser Grundkompetenzen und deren Erhalt ermöglicht wird (vgl. Art. 14 WeBiG). Die Grundkompetenzen sind eine wichtige Voraussetzung für die berufliche Nachholbildung Erwachsener und die Beteiligung weiterbildungsferner Personen an der Weiterbildung. Für die Zukunft wichtig ist auch, dass das Gesetz Bund und Kantone zur Koordination ihrer Aktivitäten im Weiterbildungsbereich auffordert (vgl. Art. 4d). „Dank den koordinierten Aktivitäten können Zielgruppen erreicht werden, die bisher nicht in den Genuss von Weiterbildung gekommen sind“, ist Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik bei Travail.Suisse, überzeugt.

Das Weiterbildungsgesetz – Eine Bewertung aus Sicht von Travail.Suisse

Vortrag gehalten anlässlich der Fachkommissionsitzung Wissenschaft, Bildung und Kultur der SP Schweiz:
Dienstag, 11. Juni 2013, 18.15-19.45 Uhr, Bundeshaus, Zimmer 286.

Grundsätzliche Bemerkungen:
Dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf kann zugestimmt werden. Er enthält keine grundsätzlichen Fehler, die dazu zwingen würden, ihn abzulehnen. Allerdings ist in der parlamentarischen Arbeit daraufhin zu arbeiten, dass das Gesetz durch einige Anpassungen aufgewertet wird.

Definition von Weiterbildung Art. 3:
Mit der vorliegenden Definition des lebenslangen Lernens kann man leben.

  • Sie bringt Klarheit in die Begrifflichkeit. Allerdings nur, wenn sie sauber angewendet wird, was gerade bei Statistiken oft Probleme schafft.
  • Mit dieser Definition in Art. 3 lässt sich das Problem der Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung darstellen (vgl. Art. 7)
  • Die Definition macht aber auch darauf aufmerksam, worüber das Weiterbildungsgesetz schweigt, nämlich über das Phänomen der Weiterbildungsabschlüsse. Sie existieren. Sie kommen aber in der Definition nicht vor.-

Das Weiterbildungsgesetz muss in Art. 3 die Weiterbildungsabschlüsse aufnehmen:

Art 3. Begriffe
In diesem Gesetz bedeuten:
1. Weiterbildung (nicht-formale Bildung): strukturierte Bildung ausserhalb der formalen Bildung, (neu) die zu Weiterbildungsabschlüssen führen kann.

Weiterbildungsabschlüsse (neu)
Weiterbildungsabschlüsse spielen in der Bildungslandschaft aus zwei Gründen eine wichtige Rolle:

Erstens ermöglichen sie im nichtformalen Bildungsbereich standardisierte Abschlüsse, die gerade im Verfahren zur Anrechnung von Weiterbildung an die formale Bildung wichtig sein können und auch auf dem Arbeitsmarkt ihren Wert haben.

Zweitens entlasten die Weiterbildungsabschlüsse das formale System, indem sie einen Bildungsbereich ordnen, ohne dass der Staat eingreifen muss (Modularisierung, Referenzrahmen, standardisierte Abschlüsse).

Gesetzlich wäre es sinnvoll, wenn in Artikel 12 erwähnt würde, dass der Bund Organisationen der Weiterbildung darin unterstützen kann, Weiterbildungsabschlüsse aufzubauen.

Zudem wäre es sinnvoll, wenn im Gesetz (z.B. im Artikel 7) erwähnt würde, dass Weiterbildungsabschlüsse unter bestimmten Bedingungen zum Nationalen Qualifikationsrahmen referenziert werden können.

Verantwortung Art. 5
Nach dem Weiterbildungsgesetz sollen die Arbeitgeber die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begünstigen. Diese Bestimmung wird gemäss dem erläuternden Bericht als Appell, nicht als Verpflichtung verstanden. Das heisst die Arbeitgeber, die diesem Appell nicht nachkommen, haben keine Konsequenzen zu fürchten. Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt daher nahe bei Null. Das Weiterbildungsgesetz sollte daher eine Bestimmung aufnehmen, die Konsequenzen für die Arbeitgeber vorsieht, welche die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden nicht begünstigen.

1 Der einzelne Mensch trägt für sich die Verantwortung, sich weiterzubilden.
2 Die öffentlichen und die privaten Arbeitgeber begünstigen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (neu) Die Verordnung regelt die Sanktionsmöglichkeiten für die Nichtwahrnahme dieser Aufgabe.

Mit Sanktionen reagiert werden muss, wenn z.B. Betriebe nicht bereit sind, im Zusammenhang mit Projekten im Bereich der Grundkompetenzen zu kooperieren oder Angestellte erwerbslos werden. Beim Eintritt der Erwerbslosigkeit soll festgestellt werden, ob eine Person – rückblickend auf die letzten zehn Jahre – Weiterbildung erhalten hat oder nicht. Arbeitgeber, die nichts oder zu wenig unternommen haben, um ihre MitarbeiterInnen weiterzubilden, sollen bis zu maximal 66 Taggelder (drei Monate) der Arbeitslosenkasse übernehmen müssen.

Im Grundsatz soll gelten, dass Arbeitnehmende im Durchschnitt drei Tage Weiterbildung pro Jahr erhalten. Die Dauer der Weiterbildung wie auch die vermittelten Fähigkeiten und Kompetenzen werden in einer Bestätigung festgehalten.

Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung Art. 7
Die Bildungsgesetzgebung sieht die Möglichkeit von Nachholbildungen, zum Beispiel durch Anerkennung von Bildungsleistungen, vor. Es ist aber heute nicht so ausgestaltet, dass Nachholbildungen bewusst gefördert werden. Der Arbeitsmarkt ist jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels verstärkt auf Nachholbildungen angewiesen, insbesondere auf Nachholbildungen von Personen, die noch über keinen beruflichen Erstabschluss verfügen. Eine Studie von Travail.Suisse zeigt, dass in der Schweiz von den rund 600’000 Personen im erwerbsfähigen Alter ohne beruflichen Erstabschluss rund 52’000 Personen sich sehr eignen würden, eine Nachholbildung über die Anerkennung von Bildungsleistungen zu erreichen. Um dieses Potential auszunützen, schlägt Travail.Suisse eine gesetzliche Regelung im Weiterbildungsgesetz vor, und zwar eine Ergänzung im Artikel 7:

«Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung
1 Bund und Kantone sorgen mit ihrer Gesetzgebung für transparente und möglichst gleichwertige Verfahren zur Anrechenbarkeit von Weiterbildung und informeller Bildung an die formale Bildung.
3 (neu) Sie ergreifen zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.»

Es wäre schade, wenn diese Chance nicht gepackt und das Potential an Nachholbildungen nicht genützt würde. Denn die Alternative zu mehr Nachholbildungen sind erstens mehr Migration und zweitens höhere Kosten bei der sozialen Sicherheit.

Lösung von gesellschaftlichen Problemen
Weiterbildung kann mithelfen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Diese Möglichkeit wird leider im vorliegenden Gesetzesentwurf in keiner Art und Weise ergriffen. Dabei könnte mit einer kleinen Bestimmung und einem bescheidenen Budget der gesellschaftliche Wert des Weiterbildungsgesetzes massiv erhöht werden. Die Idee, dass Problemlösungen immer über Spezialgesetze angepackt werden sollen und daher im Weiterbildungsgesetz keine Fördertatbestände aufgeführt werden dürfen, schwächt die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. Nicht für alle gesellschaftlichen Probleme braucht es ein Spezialgesetz. Manchmal genügt eine Anschubfinanzierung über einen Projektfonds, um die Lösung gesellschaftlicher Probleme anzustossen. Solche Projekte sind zum Beispiel in der Seniorenbildung[1] denkbar, aber auch in der Elternbildung oder in der politischen Bildung.

Travail.Suisse erachtet es als absolut notwendig, dass das Weiterbildungsgesetz einen Projektfonds zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen vorsieht. Ohne einen solchen Fonds von etwa 12 Millionen Franken pro Jahr vergibt sich die Schweiz eine grosse Chance, mit relativ geringen Mitteln, die Weiterbildung zu einem wichtigen Instrument der gesellschaftlichen Problemlösung zu machen.

Reform der berufsorientierten Weiterbildung
Travail.Suisse schlägt vor, dass parallel zur Diskussion des Weiterbildungsgesetzes auch die Artikel im Berufsbildungsgesetz zur berufsorientierten Weiterbildung (Art.30-32 BBG) reformiert werden. Um wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg, den älteren Arbeitnehmenden und der Nachholbildung lösen zu können, ist eine Reform absolut nötig.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse

 


[1] Beispiel: In Zukunft sind wir vielleicht darauf angewiesen, dass ehrenamtliche Senioren und Seniorinnen bei der Begleitung von Demenzkranken mithelfen. Ein Projektfonds im Weiterbildungsgesetz sollte ermöglichen, dass eine kompetente Organisation eine Anschubfinanzierung erhält, um ein Projekt aufzubauen, in deren Folge ehrenamtliche BegleiterInnen  ausgebildet werden können. Die Anschubfinanzierung umfasst z.B. die Finanzierung des Projektleiters in der Aufbauphase, die Erstellung der Bildungsunterlagen und die Ausbildung der ersten AusbildnerInnen, die vor Ort mit den Senioren und Seniorinnen arbeiten.

Selbstverantwortung dank Obligatorium

Drei Tage obligatorische Weiterbildung für alle, finanziert durch die Arbeitgeber: Diese Forderung von Travail.Suisse, der Dachorganisation der Arbeitnehmenden, stösst auf Seiten der Arbeitgeber in ersten Reaktionen auf Ablehnung. Der Grundkonflikt liegt dabei im Verständnis und der Bedeutung der Selbstverantwortung für die Weiterbildung.

In der Diskussion um die Weiterbildungspolitik wird oft der Begriff der Selbstverantwortung verwendet. Gemeint ist in diesem Zusammenhang, dass der Staat in diesen Bereich nicht (oder nur koordinierend) eingreifen soll. Für die Weiterbildung sind einerseits die Wirtschaft (Betriebe, Branchen) und andererseits die Arbeitnehmenden verantwortlich, so die oft vertretene Meinung.

Selbstverantwortung allein genügt nicht

Die statistischen Daten zur berufsorientierten Weiterbildung zeigen aber, dass die Selbstverantwortung allein nicht genügt. Es gibt zu viele Personen, die im System der Selbstverantwortung den Zugang zur Weiterbildung nicht finden. Die Hürden sind für viele zu hoch. Das Ergebnis ist eine gespaltene Gesellschaft, in der nur ein Teil von Weiterbildung profitiert, nämlich vor allem die gut ausgebildeten Personen. Das zu schaffende Weiterbildungsgesetz muss hier Gegensteuer geben. Es darf nicht sein, dass die Schweizer Wirtschaft das Potenzial der Weiterbildung nicht voll ausnutzt und viele Arbeitnehmende durch fehlende Weiterbildung Mühe haben, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten.

Ein minimales Obligatorium zur Stärkung der Selbstverantwortung

Travail.Suisse fordert daher, dass ins neu zu schaffende Weiterbildungsgesetz folgender Artikel aufgenommen wird:

„Die Betriebe gewähren und finanzieren allen ihren Arbeitnehmenden drei Tage obligatorische Weiterbildung jährlich“.

Auf den ersten Blick scheint dies ein Eingriff in die Selbstverantwortung der Wirtschaft und der Arbeitnehmenden zu sein. Beim genaueren Hinsehen wird indes klar, dass mit dieser minimalen Forderung eine Stärkung der Selbstverantwortung verbunden ist.

Neue Weiterbildungsangebote für weniger Qualifizierte

Ein Weiterbildungsobligatorium wird dazu führen, dass endlich auch eine breitere Palette von Weiterbildungsangeboten für weniger qualifizierte Personen entstehen wird. Diese Angebote fehlen heute weitgehend. Es ist daher gerade auch für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmenden hilfreich, wenn als Folge eines Obligatoriums ein Weiterbildungsangebot geschaffen wird, das sowohl inhaltlich wie auch didaktisch und methodisch den Bedürfnissen der weniger qualifizierten Arbeitnehmenden angepasst ist. Damit wird die Weiterbildung von weniger qualifizierten Arbeitnehmenden erst richtig möglich.

Ausbau der sozialpartnerschaftlichen Regelungen

Die Umsetzung des Obligatoriums wird auch begleitet sein vom Ausbau der Branchenfonds und der sozialpartnerschaftlichen Regelungen (Gesamtarbeitsverträge). Denn die Wirtschaft wird bestrebt sein, das Obligatorium so effizient und effektiv umzusetzen wie nur irgendwie möglich. Dazu bietet sich der Aufbau von branchenspezifischen Weiterbildungszentren an, die von Bildungsfonds getragen werden und sich zum Beispiel im Bausektor bewährt haben. Somit schränkt das minimale Obligatorium die Selbstverantwortung der Wirtschaft nicht ein, sondern wird sie eher stärken.

Mehr als drei Tage sind nicht verboten

Eine aktuelle Untersuchung des Bundesamtes für Statistik[1] zeigt, dass bei Personen, die einmal an einer Weiterbildung teilgenommen haben, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie weitere Kurse besuchen. Travail.Suisse fordert daher nur drei Tage obligatorische Weiterbildung pro Jahr. Wir gehen davon aus, dass dieses Minimum vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden den Anstoss dazu gibt, selbstverantwortlich mehr Weiterbildung zu wollen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse

 

 

 

 

 



[1] https://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/15/07/ind19.indicator.190203.1902.html

 

Weiterbildungsobligatorium – na klar

Travail.Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert, dass die Arbeitgeber ihren Angestellten obligatorisch mindestens drei Tage Weiterbildung pro Jahr ermöglichen und finanzieren. Diese Forderung soll im neu zu schaffenden Weiterbildungsgesetz verankert werden. Sie steht im Gegensatz zum heute prägenden Standpunkt, dass Weiterbildung allein Sache des Einzelnen ist. Travail.Suisse ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung über diese zwei unterschiedlichen Positionen zeigen wird, dass für die Einführung eines minimalen Obligatoriums viele gute Gründe sprechen, gerade auch im Hinblick auf die Stärkung der Selbstverantwortung.

In der Schweiz existieren weder ein allgemeines Recht noch eine allgemeine Pflicht zur Weiterbildung. Prägender Begriff des schweizerischen Weiterbildungssystems ist der Begriff „Selbstverantwortung“. Beachtet man die Weiterbildungsstatistik der Schweiz, so wird man allerdings nicht umhin kommen zu sagen: Unter dem Prinzip „Selbstverantwortung“ ist zwar viel Positives entstanden. Aber insgesamt stellt sich die Weiterbildungssituation in der Schweiz als nicht besonders überzeugend dar. Vor allem weniger Qualifizierte, Angestellte in kleineren Betrieben, Personen in unteren Chargen und Frauen sind in der Weiterbildung massiv untervertreten. Was ist der Grund dafür?

Rahmenbedingungen sind nicht für alle gleich

Selbstverantwortung in Sachen Weiterbildung ist einfacher wahrzunehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In der Schweiz gilt der Grundsatz, dass wer über mehr persönliche Ressourcen (Bildung, Finanzen) verfügt, vom Arbeitgeber auch eher für Weiterbildungsmassnahmen in Form von Zeit und Geld unterstützt wird. Wer hingegen über weniger persönliche Ressourcen (Bildung, Finanzen) verfügt, wird vom Arbeitgeber kaum finanzielle und zeitliche Unterstützung erhalten. Für diese Personen ist es daher üblicherweise auch viel schwieriger und manchmal sogar unmöglich, an einer Weiterbildung teilzunehmen. Die Forderung, dass der Arbeitgeber allen Angestellten mindestens drei Tage Weiterbildung zu ermöglichen hat, möchte die frappante Ungleichbehandlung minimieren. Allen soll die Möglichkeit eröffnet werden, an Weiterbildung teilzunehmen.

Nicht auf die Verweigerer hören

Gegen diese Idee werden viele Arbeitgeber opponieren, vor allem jene, die nicht bereit sind, ihre Angestellten weiterzubilden. Für sich selber und ihren Betrieb fordern sie zwar optimale Wettbewerbsbedingungen (tiefe Steuern, wenig administrative Hürden, gut ausgebildetes Personal). Ihren Angestellten verweigern sie aber die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. So kann es vorkommen, dass bei Betriebsschliessungen für Angestellte Lösungen gefunden werden müssen, die während 20 Jahren nie weitergebildet wurden und deshalb bildungsungewohnt sind. Sie sind kaum mehr arbeitsmarktfähig, wenig flexibel und damit schwer oder nicht mehr vermittelbar. Die Meinung der Verweigerer darf nicht der Standard einer modernen Industrie- und Dienstleistungswirtschaft sein. Die drei Tage obligatorische Weiterbildung müssen als Minimum für alle gelten.

Weiterbildung scheitert oft an der Planung

Viele Arbeitsverträge sehen heute schon die Möglichkeit von Weiterbildung vor. Oft werden die Möglichkeiten aber nicht genutzt. Warum? Ein wichtiger Grund ist, dass die Weiterbildung in einem Betrieb nicht – wie zum Beispiel die Ferien – geplant wird. Wenn dann der Wunsch aufkommt, diese oder jene Weiterbildung zu machen, fehlt oft die Zeit oder die Möglichkeit, sich dazu im Betrieb freizumachen. Ein Obligatorium würde hier Abhilfe schaffen, weil dann Weiterbildung frühzeitig in die Ressourcenplanung eines Betriebs aufgenommen werden muss.

Fehlende Angebote für wenig Qualifizierte

Die Weiterbildungssituation ist auch davon geprägt, dass das Angebot für wenig Qualifizierte nicht optimal ausgebaut ist. Weil die Arbeitgeber kaum oder wenig in die unteren Chargen investieren, ist auch kein entsprechender Markt entstanden. Kurse für Manager gibt es zuhauf. Bildungsangebote für Gruppenleiter auf unterer Stufe finden sich kaum. Ein Obligatorium würde diese Situation verändern und endlich auch ein spannendes Angebot für wenig qualifizierte Personen entstehen lassen, und zwar mit einer Methodik und Didaktik, die auf diese Personen besonders Rücksicht nimmt.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse