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HFSV: 2014 werden folgenschwere Finanzentscheidungen getroffen

Am 1. Januar 2014 tritt die „Interkantonale Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der Höheren Fachschulen“ (HFSV) in Kraft. Die Vereinbarungskantone werden auf der Grundlage der HFSV wichtige Finanzentscheidungen zu treffen haben. Für Travail.Suisse ist klar: Wenn die Kantone nur aufs Sparen fokussieren, so werden sie einen wichtigen tertiären Bildungsbereich schwächen.

12 Kantone sowie das Fürstentum Liechtenstein haben bisher die „Interkantonale Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der Höheren Fachschulen“ (HFSV) unterzeichnet[i]. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass die HFSV aufs neue Jahr in Kraft treten kann. Die Regeln der interkantonalen Finanzierung der Studiengänge der Höheren Fachschulen sind über die HFSV klar und deutlich definiert. Die Höhe der Beiträge ist hingegen noch nicht bis ins letzte Detail geregelt. Die Vereinbarungskantone werden die entsprechenden Entscheidungen in den nächsten Monaten zu treffen haben. Das wird eine schwierige Aufgabe sein, weil verschiedene Interessen in ein komplexes Gleichgewicht gebracht werden müssen.

Die Sicht der Höheren Fachschulen

Das erste Interesse der Höheren Fachschulen (HF) ist es, dass die Beiträge an die HF-Bildungsgänge auf realistischen Annahmen basieren. Gemäss HFSV[ii] sollen die interkantonalen Beiträge 50% der ermittelten durchschnittlichen Kosten betragen. Dazu braucht es ein Kostenerhebungsmodell, das die Realität optimal abbildet. Ist das Kostenerhebungsmodell fehlerhaft, so entsprechen auch die Beiträge nicht dem im Gesetz definierten Ziel. Den Schulen fehlen dann die ihnen in der HFSV zugesicherten Beiträge. Dies kann – wie noch auszuführen ist – zu problematischen Folgen führen. Zu fehlerhaften Beiträgen kann es kommen, wenn das Kostenerhebungsmodell nicht auf Vollkosten basiert, es die didaktisch-methodischen Eigenheiten eines Studiengangs wie zum Beispiel die Arbeit in Labors und in Kleingruppen nicht erfasst, oder es die Kosten für die Entwicklung eines Studiengangs nicht oder nur ungenügend berücksichtigt.

Die Sicht der Wohnsitzkantone der Studierenden

Die HFSV definiert, wie viel die Wohnsitzkantone der Studierenden den Trägerschaften der Bildungsgänge der Höheren Fachschulen zu bezahlen haben. Angesichts der schwierigen Finanzsituation der Kantone ist es nachvollziehbar, wenn sie auf tiefe interkantonale Beiträge schielen. Die Finanz- und Erziehungsdirektoren der Kantone müssen ja nicht nur die Beiträge an die HFSV vor dem Parlament vertreten, sondern auch für gewichtige Anliegen aus anderen Bereichen einstehen. Ihnen kommt es entgegen, wenn die Kosten der HFSV tief gehalten werden können. Allerdings müssen sie sich fragen, ob sich der kurzfristige Gewinn auch längerfristig auszahlt. Denn das System der Höheren Fachschulen ist im Vergleich zu den Fachhochschulen ein günstiges System. Die Kantone müssen daher darauf achten, dass die HF für die Studierenden attraktiv bleibt. Dazu gehören auch bezahlbare Studiengebühren.

Die Sicht der Standortkantone der Höheren Fachschulen

Unter dem Regime der neuen HFSV wird es in allen Standortkantonen zu Verhandlungen zwischen ihnen und den im Kanton ansässigen Schulen kommen. In diesen Verhandlungen werden die Vergütungen des Standortkantons gegenüber den einzelnen Schulen festgelegt. Bei diesen Verhandlungen können zwar die interkantonalen Beiträge der HFSV eine gewisse Rolle spielen. Aber letztlich muss jeder Standortkanton mit den mandatierten Höheren Fachschulen aushandeln, wie hoch der Beitrag des Standortkantons an die Schulen sein soll. Grundsätzlich sollten diese Beiträge pro Studentin/pro Student um einiges höher sein als die interkantonalen Beiträge. Denn ein Standortkanton kann von der Schule auf seinem Kantonsgebiet profitieren. Sie bringt ihm einen Standortvorteil[iii]. Sie schafft im Standortkanton z.B. Arbeitsplätze, tritt als Einkäuferin auf, zahlt Steuern, erhöht die Standortattraktivität und trägt Knowhow in eine Region. Man darf daher von den Standortkantonen ohne weiteres erwarten, dass ihre Beiträge an die Schulen höher sind als die interkantonalen Beiträge nach HFSV.

Die Sicht der Studierenden

Studierende haben ein Interesse an tiefen Studiengebühren. An Hochschulen betragen die Schulkosten bis zum Bachelorabschluss zwischen 4‘500 bis 5‘000 CHF. An Höheren Fachschulen sind sie etwa 3 bis 4x höher. Je höher die Studiengebühren ausfallen, umso weniger ist die Höhere Fachschule konkurrenzfähig zu den Hochschulen. Es braucht deshalb eine Politik der Studiengebühren im Zusammenhang mit den Höheren Fachschulen. Sie muss erreichen, dass die Höheren Fachschulen ihre Konkurrenzfähigkeit zu den Hochschulen behalten oder gar verbessern und dass keine interessierten und fähigen Personen aufgrund der Kosten auf eine Ausbildung verzichten müssen. Grundsätzlich geht es aus Sicht der Studierenden darum, dass einerseits die Studiengebühren durch die jungen Berufsleute ohne grösseren Probleme gestemmt werden können und andererseits die Bildungsrendite der Höheren Fachschulen grösser ist als diejenige der Hochschulen. Dann sind die Höheren Fachschulen attraktiv. Für die Wohnort- und Standortkantone heisst es, dass Sparen noch keine Politik definiert. Und für die Wirtschaft und die Betriebe bedeutet es, dass ihre Unterstützung der Studierenden mithilft, die Attraktivität der Höheren Fachschulen zu verbessern.

Die Sicht des Arbeitsmarktes

Damit die höheren Fachschulen eine Zukunft haben, müssen sie sich inhaltlich und qualitativ entwickeln. Nur dann behalten diese Ausbildungen und Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt ihren Wert. Im Kontext der Qualität und der Entwicklung spielen sicherlich die Dozierendenbildung und -weiterbildung, die Anerkennungsverfahren, aber auch die Berufsfelddidaktik eine wichtige Rolle. All das kostet Geld. Es sind Bereiche, bei denen unter Druck gespart wird, wie zum Beispiel: Es werden mehr Dozierende mit kleinen Pensen angestellt; die Berufsfelddidaktik wird zugunsten von günstigeren Lehr- und Lernformen ausgehebelt; die Dozierendenbildung und –weiterbildung wird nach unten gefahren. Wenn die Kosten hingegen den Studierenden übertragen werden, so erhöhen sich die Studiengebühren. Auch diesbezüglich zeigt sich, dass die Kantone mit ihren Finanzentscheidungen im Rahmen der HFSV wichtige Weichen für die Attraktivität und die Qualität der Bildungsgänge der Höheren Fachschulen stellen müssen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse, 25.11.13

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[ii] Art. 6 Höhe der Beiträge.
1 Die Beiträge werden je Bildungsgang differenziert nach Vollzeit- und Teilzeitausbildung in Form von Semesterpauschalen pro Studierende beziehungsweise Studierenden festgelegt.
2 Für die Festlegung der Höhe der Pauschalbeiträge gemäss Absatz 1 gelten folgende Grundsätze:
a. Ermittlung der durchschnittlichen gewichteten Ausbildungskosten (Bruttobildungskosten) pro Bildungsgang und Studierende beziehungsweise Studierenden nach Massgabe der Ausbildungsdauer (Anzahl Semester), der Anzahl anrechenbarer Lektionen und der durchschnittlichen Klassengrösse, wobei die Konferenz der Vereinbarungskantone die maximale Anzahl anrechenbarer Lektionen und die minimale Referenzklassengrösse festlegt;
b. die Beiträge decken 50 Prozent der gemäss litera a ermittelten durchschnittlichen Kosten.

[iii] Zentralschweizer Regierungskonferenz, Grundlagenpapier über die Abgeltung von Standortvorteilen; zuhanden der Kantonsregierungen verabschiedet durch die ZFDK, Solothurn, 13. Mai 2005; https://www.zrk.ch/dms/dokument/dokument_datei_id_307_rnd6822.pdf

 

Berufslehre/Berufsmatura oder Gymnasium?

Mit etwa 15 Jahren hat man sich als junger Mensch zu entscheiden, welchen Bildungsweg man gehen möchte. Sucht man sich eine Lehrstelle und macht allenfalls die Berufsmatura? Oder möchte man doch lieber das Gymnasium besuchen?

Situation vor 30 Jahren

Vor 30 Jahren hat diese Entscheidung weitreichendste Folgen gehabt. Hat man eine Spur gewählt, so war es überaus schwierig, noch einen Spurwechsel vorzunehmen. Der Wechsel zwischen gymnasialem Weg und dem Berufsbildungsweg und umgekehrt war nur mühsam zu bewerkstelligen. Viele erwachsene Personen leben noch in dieser alten Welt und vermitteln deshalb ihren Kindern Bilder, die so nicht mehr stimmen.

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Situation heute

In den 90er Jahren wurden die Berufsmaturität und die Fachhochschulen geschaffen. Damit hat sich die Bildungslandschaft stark verändert. Folgende Punkte sind besonders zu erwähnen:

        Heute kann man über den Berufsbildungsweg (Berufslehre und Berufsmaturität) an einer Fachhochschule einen Hochschulabschluss erreichen. Hochschulabschlüsse sind also nicht mehr nur über den gymnasialen Weg zu erlangen.

        Zudem kann man mit einer Berufsmaturität über eine so genannte Passerelle innerhalb eines Jahres den Zugang zu den universitären Hochschulen erreichen. Frühere musste man dafür die eidgenössische Maturität nachholen.

        Auch für die gymnasialen Maturandinnen und Maturanden besteht die Möglichkeit, die Spur zu wechseln. Mit einer einjährigen geregelten Arbeitswelterfahrung können sie sich den Zugang zu den Fachhochschulen erarbeiten.

        Schliesslich kann man heute auch ohne Berufsmatura einen Tertiärabschluss erreichen. Die höhere Berufsbildung (Berufsprüfung, höhere Fachprüfung, höhere Fachschule) ist durch das neue Berufsbildungsgesetz neu dem Tertiärbereich zugeordnet und hat damit eine Aufwertung erfahren. Die höhere Berufsbildung zählt heute zum Tertiär-B-Bereich, die Hochschulen zum Tertiär-A-Bereich. Übrigens können Bildungsleistungen im Tertiär-B-Bereich in Bildungsgängen an Fachhochschulen angerechnet werden.

Durchlässigkeit: Grundprinzip des heutigen Bildungssystems

Prägend für das heutige Bildungssystem ist die so genannte Durchlässigkeit. Spurwechsel – wie oben beschrieben – sollen möglich sein und sind auch möglich. Keine Ausbildung soll in eine Sackgasse führen. Die Entscheidungen, die mit 15 Jahren getroffen werden, haben daher nicht mehr so weitreichende Folgen wie früher. Sie können im Verlaufe des Lebens dank der Durchlässigkeit einfacher korrigiert werden wie einst.

Eigene Begabung statt falsche Karriereträume

Immer wieder hört man, wie vor allem Eltern in städtischen Regionen ihre Kinder ins Gymnasium drängen wollen und alles unternehmen, dass ihr Kind die Aufnahmeprüfung schafft. Sie haben für ihr Kind Karriereträume und tun so, als ob der gymnasiale Weg allein das Glück versprechen würde. Im heutigen Bildungssystem sollte vielmehr darauf geachtet werden, wofür ein Jugendlicher begabt und motiviert ist. Aus jeder Ausbildung kann heute – dank dem durchlässigen Bildungssystem – eine spannende Karriere entwickelt werden, wenn man – und das ist natürlich die Voraussetzung dafür – sich engagiert und an sich arbeitet.

Arbeitslosigkeit und Bildungsrendite

Interessant sind neuere Statistiken. Sie zeigen, dass Personen, welche ihre Karriere über die Berufsbildung starten, auf dem Arbeitsmarkt sehr gute Karten haben. Personen, die über einen Abschluss der höheren Berufsbildung (Tertiär B) verfügen, sind weniger erwerbslos als HochschulabgängerInnen (Tertiär A). Und die FachhochschulabgängerInnen weisen im Durchschnitt eine grössere private Bildungsrendite auf als AbgängerInnen der höheren Berufsbildung und der Universitäten. Das heisst, wer etwas erreichen möchte, kann dies sowohl über den gymnasialen wie über den Berufsbildungsweg erreichen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse