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Ausländische Lehrlinge: Auf komplexe Fragen gibt es keine einfachen Antworten

Jugendliche aus der EU sollen in der Schweiz vermehrt eine Lehre machen können[i]. Ob die Umsetzung dieser Idee gefördert werden soll, darüber möchte der Bundesrat mit den Verbundpartnern der Berufsbildung eine Diskussion führen. Travail.Suisse begrüsst die gemeinsame Erörterung dieser Frage, möchte aber hier schon darauf hinweisen, dass sich dahinter eine komplexe Frage auftut, die nicht mit einfachen Antworten beantwortet werden kann.

Eine Bemerkung vorweg: Es gibt heute schon Jugendliche aus der EU, die in der Schweiz eine Lehre absolvieren. Vor allem in Grenzregionen (z.B. in der Region Basel) ist dies der Fall. Probleme gibt es diesbezüglich eigentlich keine. Höchstens stellt sich in bestimmten Berufen die Frage, ob die deutschen Lehrlinge genügend Französisch können und die französischen Lehrlinge genügend Deutschkenntnisse haben. Weitere Probleme gibt es keine.
Das, was der Bundesrat diskutieren möchte, geht allerdings über das hinaus. Nicht Jugendliche aus der Grenzregion, sondern Jugendliche aus Staaten mit einer hohen Erwerbslosigkeitsquote wie zum Beispiel Spanien sollen angeworben werden. Ein solches Projekt wirft einige ernsthaftere Fragen auf.

Erstens: Bedarf

Besteht überhaupt ein Bedarf nach einem solchen Projekt? Diese Frage lässt sich auf verschiedene Unterfragen aufteilen:

1. Brauchen die Betriebe/Branchen die Hilfe des Bundes?

Grundsätzlich ist es jedem Betrieb, jeder Branche freigestellt, ausländische Jugendliche für eine Lehre anzuwerben. Die Personenfreizügigkeit ermöglicht dies. Es braucht also, um eine solche Idee umzusetzen, den Bund nicht unbedingt.

Gibt es Branchen und Betriebe, welche gezielt ausländische Jugendliche für eine Lehre anwerben? Warum und wie machen sie es? Welche Erfolge haben sie damit? Warum machen es andere nicht?

Wenn es einen Bedarf von Seiten von Betrieben/ Branchen gibt, dass der Bund tätig werden soll, dann sollte er dies nur subsidiär tun. Möglich wäre eine Unterstützung über den Projektfonds Art. 54/55 BBG. Die Hauptverantwortung trägt aber eine Branche. Der Bund unterstützt nur aufgrund von klar definierten Kriterien.

Welche Kriterien müssten Branchen erfüllen, damit sie vom Bund unterstützt werden?

2. Gibt es bei Branchen und Betrieben einen Bedarf nach ausländischen Lehrlingen?

Die Idee, ausländische Jugendliche für eine Lehre in der Schweiz anzuwerben, ist aus der Tatsache entstanden, dass gegenwärtig rund 7000 Lehrstellen nicht besetzt sind. Für die betroffenen Branchen bedeutet das, dass sie in Zukunft über zu wenige Fachkräfte verfügen werden, wenn der jetzige Zustand längerfristig anhält. Sie müssen daher Strategien finden, wie sie ihrem Fachkräftemangel begegnen. Die Idee, ausländische Jugendliche für eine Lehre in der Schweiz zu gewinnen, macht nur dann Sinn, wenn die Jugendlichen nach der Lehre in der Mehrzahl in der Schweiz bleiben. Ansonsten hat man dann zwar Lehrlinge ausgebildet, aber nicht den Fachkräftemangel bekämpft.

Ist man sich dessen bewusst, dass sich Ausbildungen für die Betriebe und Branchen nur lohnen, wenn die Mehrzahl der Ausgebildeten in der Schweiz bleibt?

3. Gibt es einen Bedarf auf Seiten des Auslandes, z.B. Spaniens?

Die Jugenderwerbslosigkeit in der EU, vor allem auch in südeuropäischen Ländern ist hoch[ii]. Diese Länder stehen in der Pflicht, ihre Wirtschaft besser aufzustellen und mehr und bessere Arbeitsplätze[iii] zu schaffen. Haben diese Länder, z.B. Spanien, ein Interesse an einem Projekt, in dem ihre Jugendlichen in die Schweiz gehen, um dort eine Lehre zu machen? Folgendes scheint mir klar zu sein:

  • Die Schweiz kann nicht Jugendliche in einem anderen Land offensiv bewerben, ohne dass die Regierung jenes Landes damit einverstanden ist.
  • Ein Land wie zum Beispiel Spanien wird einem solchen Projekt nur zustimmen, wenn die Ausgebildeten nach der Lehre wieder in ihr Heimatland zurückkehren.
  • Das andere Land hat nur Interesse an Ausbildungen, welche für ihre wirtschaftliche Entwicklung von Bedeutung sind.

Wie gross ist die Schnittmenge des Interesses der Schweiz und eines anderen Landes, ein solches Projekt durchzuführen?

Zweitens: Erfahrungen

Die Schweiz steht mit ihrer Idee nicht allein da. In Deutschland gibt es schon Erfahrungen damit. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat ein 140-Millionen-Euro-Programm aufgelegt, mit dem gezielt Jugendliche für eine Berufsbildung in Deutschland angeworben und finanziell gefördert werden sollen. Gemäss eines Papiers des Deutschem Gewerkschaftsbund DGB war „die Anwerbung ausländischer Jugendlicher für eine Berufsausbildung in Deutschland keine Erfolgsgeschichte: Projekte im Emsland (Anwerbung spanischer Jugendlicher) und in Brandenburg (Anwerbung polnischer Jugendlicher) müssen als gescheitert betrachtet werden. Die überwiegende Zahl der Jugendlichen hat die Ausbildung entweder nicht angetreten oder abgebrochen. So erreichten in Brandenburg lediglich fünf von 22 polnischen Jugendlichen das zweite Ausbildungsjahr. Im Emsland wurden nur sechs von 14 spanischen Bewerberinnen und Bewerbern in Ausbildung vermittelt. Ursprünglich sollten 35 spanische Jugendliche für eine Ausbildung gewonnen werden“[iv].

Was weiss man über die Erfahrungen anderer Länder mit solchen Projekten? Welches sind die Gründe für das Scheitern oder das Gelingen?

Drittens: Das schweizerische Potential ausnützen

Neben dem Blick ins Ausland lohnt sich auch ein Blick auf das inländische Potential an möglichen Personen zur Verminderung des Fachkräftemangels:

1. Erwachsene ohne berufliche Grundbildung

In der Schweiz gibt es rund 600‘000 Personen ohne berufliche Grundbildung. Davon haben mindestens 50‘000 Personen ein Potential, eine berufliche Grundbildung über eine Nachholbildung abzuschliessen. Das Projekt des SBFI „Berufsabschluss und Berufswechsel für Erwachsene“ geht den Möglichkeiten von Nachholbildungen von Erwachsenen nach und leistet so einen Beitrag

  • zur Bekämpfung des Fachkräftemangels,
  • zur Entlastung der Sozialversicherungen und
  • zur persönlichen Besserstellung von Personen ohne berufliche Grundbildung.

2. WiedereinsteigerInnen

Eine Untersuchung von Travail.Suisse zeigt, dass pro Jahr etwa 13‘000 Personen nach einem familienbedingten Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt wieder eine Arbeit suchen. Je länger sie vom Arbeitsmarkt fern blieben, umso schwieriger haben es diese Personen, wieder eine ihren potentiellen Fähigkeiten entsprechende Arbeitsstelle zu finden. Die Unterstützungen durch die öffentliche Hand und die Sozialversicherungen fehlen weitgehend oder sind ungenügend und nehmen auf die Bedürfnisse der Zielgruppe kaum Rücksicht.

3. Ältere Arbeitnehmende

Die demografische Entwicklung bringt es mit sich, dass die älteren Arbeitnehmenden für die Wirtschaft bedeutender werden. Ihre Förderung und Weiterbildung blieb bisher aber ausserhalb politischer Überlegungen. Sollen sie aber ihre Rolle in Zukunft besser wahrnehmen können, sind Überlegungen zu einer besseren Ausnutzung ihres Potentials zu machen und die Erkenntnisse in Projekte umzusetzen.

4. In der Schweiz lebende AusländerInnen

Viele AusländerInnen in der Schweiz verfügen zwar über Ausbildungen. Ihre Diplome werden aber nicht anerkannt, so dass sie sich unter ihrem Wert im Arbeitsmarkt „verkaufen“ müssen.

Sind nicht eher die Potentiale der Schweiz besser auszunutzen als ausländische Jugendliche für Lehrstellen in der Schweiz anzuwerben?

Viertens: Ausländische Jugendliche sind eine „schwierige“ Zielgruppe

Einer der Gründe, warum in Grenzregionen die Lehrlingsausbildung von ausländischen Jugendlichen kaum Probleme bereitet, ist, dass diese Jugendlichen ihr soziales Netz nicht verlassen müssen. Sie können ihr Zuhause behalten. Das ist mit dem bundesrätlichen Projekt nicht möglich. Die Jugendlichen werden in einer wichtigen Entwicklungsphase ihres Lebens aus ihrem angestammten Umfeld herausgelöst und werden während der Adoleszenz drei bis vier Jahre ihrem familiären und kulturellen Umfeld entfremdet. Soll ein solches Konzept funktionieren, müssen viele Rahmenbedingungen erfüllt sein[vi].

Welche Rahmenbedingungen müssen in der Schweiz erfüllt sein, dass ein solches Projekt für die ausländischen Jugendliche zu einem Erfolg werden kann?

Fünftens: Berufsbildung exportieren statt Lehrlinge importieren[vii]

Statt Lehrlinge zu importieren könnte man ja auch die Berufsbildung exportieren und damit mithelfen, die Jugendarbeitslosigkeit in den betreffenden Ländern zu minimieren. So überzeugend in einem ersten Moment diese Idee erscheint, so schwierig ist ihre Umsetzung. Ein Statusbericht über die duale Ausbildung als Exportschlager zeigt, dass die Staaten, die mit der dualen Berufsbildung beglückt werden sollen, sich „schwer tun, ihre Bildungs- und Berufsbildungssysteme … zu reformieren“[viii].Widerstände sind von den Regierungen, der Administration und den Arbeitgebern trotz vorgängigen Abmachungen spürbar. Der in Deutschland (und in der Schweiz) zum Teil hochgelobten dualen Berufsbildung begegnet bei der Umsetzung viel Skepsis. Dies ist insoweit verständlich, als einerseits die Implementierung eines fremden Systems als Eingriff in die eigene Autonomie/Souveränität erlebt wird und anderseits das duale Berufsbildungssystem komplex und deshalb nur schwer verständlich und vermittelbar ist.

Wie kann die Schweiz ihr Berufsbildungssystem „verkaufen“ ohne imperialistisch zu wirken?

Sechstens: Diskussions- und Handlungsvorschläge

Die obigen Überlegungen führen uns zu folgenden Diskussions- und Handlungsvorschlägen:

  1. Es muss Klarheit herrschen über die Ziele des Projektes. Geht es die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen in den EU-Staaten oder um die Bekämpfung des Fachkräftemangels bei uns? Solange das nicht klar ist, redet man aneinander vorbei und macht Fehler bei der Entwicklung eines Projektes.
  2. Wenn es um den Fachkräftemangel bei uns geht, stehen für Travail.Suisse andere Potentiale als die Jugendliche aus der EU im Vordergrund, die ausgeschöpft werden sollen. Dabei ist zu fragen, wie das vorhandene Lehrstellenpotential in Bezug auf die anderen Potentiale eingesetzt werden kann.
  3. Wenn es um die Bekämpfung der Jugenderwerbslosigkeit in der EU geht, so geht es primär nicht darum, unser Berufsbildungssystem zu exportieren, sondern PolitikerInnen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, Jugendliche und Eltern anderer Länder auf Berufsbildung „glustig“ zu machen. Wenn dann Anfragen kommen, sollten die Verbundpartner die Ressourcen haben, darauf angemessen zu antworten. Konkret bedeutet dies, dass über Art.54/55 BBG Gelder für Projekte für Veranstaltungen mit ausländischen Partnern zur Auseinandersetzung über das duale Berufsbildungssystem vorhanden und zugänglich sein sollten.
  4. Statt Lehren für ausländische Jugendliche sollten wir in der Schweiz eher Praktika anbieten, z.B. für BerufsbildnerInnen, HR-Verantwortliche, BranchenvertreterInnen etc.
  5. Hinter allem Handeln muss die Überzeugung stehen, dass die professionelle Vermittlung von praktischen – nicht nur von theoretischen – Kompetenzen eine Volkswirtschaft stärkt. Die konkrete Ausgestaltung des professionellen Berufsbildungssystems ist dagegen nicht unwichtig, aber zweitrangig.

07.10.2013 Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse


[i] https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Bundesrat-will-Junge-fuer-Lehre-in-die-Schweiz-holen-31524276

[ii] Die Jugenderwerbslosigkeit in der EU wird gegenwärtig mit 23,7% angegeben. Das bedeutet jedoch nicht, dass „fast jeder vierte Jugendliche arbeitslos wäre: Die Arbeitslosenquote misst die Zahl der Arbeitslosen in Prozent der Erwerbspersonen, doch zählen in diesem Alter viele Menschen zum Beispiel als Studenten noch gar nicht zu den Erwerbspersonen“. NZZ, Mittwoch, 2. Oktober 2013, S. 27.

[vi] Der in der Fussnote 1 erwähnte Bericht des DGB erwähnt 10 Kriterien für gute Rahmenbedingungen.

[vii] Diese Forderung stellt Rudolf Strahm in einer Kolumne vom 27.08.2013 im Tagesanzeiger auf.

[viii] Hermann Nehls, Thomas Giessler, Matthias Anbuhl, Duale Ausbildung als „Exportschlager“?, Statusbericht  zu Anspruch und Wirklichkeit der europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Grundbildung und der Aktivitäten der Bundesregierung, Berlin, 09. September 2013, S. 6.

 

 

Nachholbildungen gezielt fördern

Für Travail.Suisse ist es unabdingbar, dass das Weiterbildungsgesetz in Zukunft einen Beitrag zur Nachholbildung von Personen leistet, insbesondere von Personen, die über keinen beruflichen Erstabschluss verfügen. Dazu schlägt Travail.Suisse eine Bestimmung vor, welche Bund und Kantone zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt zu Massnahmen verpflichtet, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.

Die schweizerische Gesetzgebung sieht die Möglichkeit von Nachholbildungen vor. Eine berufliche Nachholbildung kann zum Beispiel über eine Validierung der Bildungsleistungen, eine verkürzte Lehre oder ein Qualifikationsverfahren nach Artikel 32 der Berufsbildungsverordnung erfolgen. Die Gesetzgebung sieht aber nicht vor, dass Nachholbildungen bewusst gefördert werden. Der Arbeitsmarkt ist jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels verstärkt auf Nachholbildungen angewiesen, insbesondere auf Nachholbildungen von Personen, die noch über keinen beruflichen Erstabschluss verfügen. Zudem funktioniert der Arbeitsmarkt heute so, dass eine Ausbildung auf Sekundarstufe II als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt anzusehen ist. Bildungspolitisch ist daher die Nachholbildung zu einem der zentralen Themen der nächsten Jahre zu machen.

Ergebnis einer Studie von Travail.Suisse

Eine Studie von Travail.Suisse zeigt, dass sich in der Schweiz von den rund 600’000 Personen im erwerbsfähigen Alter ohne beruflichen Erstabschluss rund 52’000 sehr eignen würden, eine Nachholbildung über die Anerkennung von Bildungsleistungen zu erreichen. Um dieses Potenzial auszunützen, schlägt Travail.Suisse zum einen ein Commitment unter den Verbundpartnern vor, zum andern eine gesetzliche Regelung im gegenwärtig diskutierten Weiterbildungsgesetz.

Commitment unter den Verbundpartnern

Um die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu fördern, ist es sinnvoll, unter den Verbundpartnern der Berufsbildung ein Commitment auszuarbeiten. Dieses soll einerseits die anzustrebenden Ziele, die zu ergreifenden Massnahmen und die Verantwortlichkei-ten festlegen, andererseits aber auch die Umsetzung ermöglichen. In beiden Phasen ist auf die Möglichkeit der Projektförderung nach Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes zurückzugreifen. Dank dieser gesetzlichen Grundlage hat der Bund die Möglichkeit, die Analyse- und Pla-nungsarbeit mitzufinanzieren und geeignete Massnahmen zu unterstützen.

Chance „Weiterbildungsgesetz“

Das Commitment wird gestärkt, wenn die Förderung der Nachholbildung auch gesetzlich verankert wird. Gegenwärtig besteht die Chance, im neu zu schaffenden Weiterbildungsgesetz eine entspre-chende Regelung aufzunehmen. Beim aktuellen Stand der Diskussion kann davon ausgegangen werden, dass das Weiterbildungsgesetz vorsieht, dass nichtformale und informelle Bildung an die formale Bildung, zum Beispiel an die berufliche Grundbildung, angerechnet wird. Damit nimmt auch das Weiterbildungsgesetz das Thema «Nachholbildung» auf. Aber wie im Berufsbildungsgesetz wird auch im Weiterbildungsgesetz die Nachholbildung nur geregelt, nicht gefördert. Dies ist mit einer entsprechenden Ergänzung im Artikel 7 zu korrigieren:

«Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung

1 Bund und Kantone sorgen mit ihrer Gesetzgebung für transparente und möglichst gleichwertige Verfahren zur Anrechenbarkeit von Weiterbildung und informeller Bildung an die formale Bildung.

3 (neu) Sie ergreifen zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.»

Mit einer solchen Regelung könnte eine Politik entwickelt werden, welche die Weiterbildungsbetei-ligung der Personen ohne berufliche Erstausbildung erhöhen würde. Denn diese Gruppe beteiligt sich nur halb so viel an der Weiterbildung wie Personen, die über einen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen . Damit fehlen der Gruppe der Ausbildungslosen aber wichtige Voraussetzungen, um einen verbesserten Zugang zur Nachholbildung zu finden. Denn fehlende Weiterbildung ist eines der Hindernisse, welches dieser Gruppe den Zugang zur Nachholbildung erschwert. Travail.Suisse wird sich dafür einsetzen, dass die Politik die Chance „Weiterbildungsgesetz“ packt und das Potenzial an Nachholbildungen ausnützt. Denn fehlende Nachholbildungen bedeuten erstens mehr Migration und zweitens höhere Kosten bei der sozialen Sicherheit.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse (13.05.2013)

 

Ältere Arbeitnehmende und die Bildung

Für Travail.Suisse ist klar: Die Schweiz braucht eine Weiterbildungspolitik, die sich auch mit der Zielgruppe „ältere Arbeitnehmende“ auseinandersetzt. Dazu ist es notwendig, das Berufsbildungsgesetz so zu ändern, dass die älteren Arbeitnehmenden eine Zielgruppe der berufsorientierten Weiterbildung (Art. 30-32 BBG) werden und Massnahmen zur Förderung der Weiterbildung von älteren Arbeitnehmenden nach Art. 55 BBG in Zukunft möglich sind.

Die nationale Politik weiss angesichts der demografischen Entwicklung um die Bedeutung einer hohen Arbeitsmarktbeteiligung[1] der älteren Arbeitnehmenden[2]. In nationalen Bildungsgesetzen hat sich diese Erkenntnis aber noch nicht niedergeschlagen. Weder im Berufsbildungsgesetz noch im Weiterbildungsgesetz, das gegenwärtig als bundesrätlicher Entwurf vorliegt, sind die älteren Arbeitnehmenden erwähnt. Sie werden auf Gesetzesebene nicht als spezielle Zielgruppe von Weiterbildung angesehen. Entsprechend fehlen heute auch Bildungsprojekte, welche die Zielgruppe „ältere Arbeitnehmende“ im Fokus haben.

Ältere Arbeitnehmende werden wichtiger für die Wirtschaft

Die demografische Entwicklung führt dazu, dass es im Arbeitsmarkt im Verhältnis zu allen Arbeitnehmenden immer mehr ältere Arbeitnehmende gibt. Damit erarbeiten ältere Arbeitnehmende einen wachsenden Anteil am Bruttosozialprodukt, und der Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit wird wirtschaftlich bedeutsamer[3]. Sollen sie aber die Erwartungen des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft erfüllen können, müssen sie auch im fortgeschrittenen Alter über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Die Bildung darf dabei zwei grundlegende Ziele nicht aus den Augen verlieren:

  • Erstens darf es nicht zu De-qualifizierungen kommen. Es muss unbedingt verhindert werden, dass ältere Arbeitnehmende aufgrund von Verschiebungen im Anforderungsprofil, innerbetrieblichen Veränderungen, Wegfall von Tätigkeitsfeldern, technischen Entwicklungen oder einer zu starken Spezialisierung ihres Berufs aus dem Arbeitsmarkt herausfallen, an den Rand gedrängt oder demotiviert werden.
  • Zweitens muss Bildung die Voraussetzungen für eine zweite Karriere schaffen. Jüngere Arbeitnehmende verbinden mit Bildung vor allem eine Karriere nach oben. Daraus ziehen sie ihre Motivation. Ältere Arbeitnehmende hingegen sind eher an einer horizontalen Karriere interessiert, das heisst an einer beruflichen Entwicklung, welche ihre Bedürfnisse ernst nimmt. Dazu gehört etwa, dass sie trotz beruflichen Veränderungen eine interessante Arbeit ausführen können und ihre Arbeit geschätzt wird.

Damit diese zwei Ziele erreicht werden können, ist permanente Bildung notwendig. Das heisst ganz konkret drei Dinge:

  • Erstens braucht es für ältere Arbeitnehmende einen regelmässigen Zugang zur Bildung, und zwar frühzeitig. Grundsätzlich sollte eigentlich der Bildungsfaden nie abreissen. Alle Arbeitnehmende sollten am lebensbegleitenden Lernen beteiligt sein, damit sie beruflich nicht in Sackgassen geraten. Ist aber der Zugang zur Bildung verloren gegangen, so sollten die Betriebe spätestens die Personen ab 45 wieder in den Bildungsprozess zurückführen. Das widerspricht aber in starker Art und Weise der heutigen Personalpolitik.
  • Zweitens brauchen die älteren Arbeitnehmenden den Zugang zu einer Weiterbildung, die ihnen entspricht, die Themen behandelt, die sie interessieren und Fragen aufnimmt, die sie beschäftigen. Zudem sollten die Weiterbildungen helfen, De-qualifizierungen abzubauen und horizontale Karrieren zu ermöglichen.
  • Drittens braucht es Weiterbildungen, die richtig vermittelt werden, bei denen also die Didaktik und Methodik stimmen, das heisst auf ältere Arbeitnehmende zugeschnitten sind. So sollen sie zum Beispiel berücksichtigen, dass ältere Arbeitnehmende mit vielen beruflichen Erfahrungen an einer Weiterbildung teilnehmen und meistens nicht nur Neues lernen müssen, sondern auch Altes „überlernen“ müssen.

Ein neues Bild der älteren Arbeitnehmenden

Nimmt man die Demografie ernst, so muss sich in der Arbeitswelt ein neues Bild der älteren Arbeitnehmenden durchsetzen. Dazu gehören folgende Facetten:

  •  Weiterbildung ist nicht nur für die jungen, sondern auch in zunehmendem Masse für die älteren Arbeitnehmenden notwendig und wichtig.
  • Es braucht eine Weiterbildungskultur, welche die älteren Arbeitnehmenden mit ihren spezifischen Bedürfnissen ernster nimmt und sich sowohl thematisch wie auch methodisch und didaktisch diesem Zielpublikum zuwendet.
  • In Zukunft können sich die Betriebe nicht einfach darauf verlassen, dass Innovationen über die Anstellung von jüngeren Arbeitnehmenden bewältigt werden können. Vielmehr müssen sie sich überlegen, wie mit und dank den älteren Arbeitnehmenden Innovationen möglich werden.
  •   Ältere Arbeitnehmende verfügen über eine längere Berufserfahrung als jüngere Arbeitnehmende. Es muss erreicht werden, dass ihre Erfahrungen nicht zum Hindernis von Entwicklungen, sondern gerade zur Basis von Entwicklungen werden können.
  • Jüngere Arbeitnehmende motivieren sich für Weiterbildungen über die Hoffnung auf einen Karriereschritt nach oben und einen höheren Lohn. Die Arbeitswelt muss sich so präsentieren, dass auch ältere Arbeitnehmende ohne weitere Karrierehoffnungen nach oben sich für Weiterbildungen motivieren können.

Forderung an die Bildungspolitik

Die Bildung kann mit ihren Instrumenten mithelfen, die Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden zu stärken, indem sie im Berufsbildungsgesetz für ihr Handeln eine gesetzliche Basis schafft. Diese könnte folgendermassen aussehen:

 Art. 32 Massnahmen des Bundes

1 Der Bund fördert die berufsorientierte Weiterbildung.

2 Er unterstützt insbesondere Angebote, die darauf ausgerichtet sind:

  1. Personen bei Strukturveränderungen in der Berufswelt den Verbleib im Erwerbsleben zu ermöglichen;
  2. Personen, die ihre Berufstätigkeit vorübergehend eingeschränkt oder aufgegeben haben, den Wiedereinstieg zu ermöglichen.
  3. (neu) durch geeignete Massnahmen die Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden zu erhalten und zu verbessern.

 Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travailsuisse (04.06.13)

 

[1] Fachkräfteinitiative – Situationsanalyse und Massnahmenbericht, herausgegeben vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF und der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren VDK, 07. März 2013, S.16.

[2] Vgl. Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 11.3112.

[3] François Höpflinger, Ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, S. 5, www.hoepflinger.com , letzte Änderungen: 1. Februar 2013.

Das Recht auf Berufsbildung im politischen und wirtschaftlichen Alltag leben

In der Schweiz gibt es kein einklagbares Recht auf Berufsbildung. Allerdings verpflichten sich Bund und Kantone, «in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative» sich dafür einzusetzen, dass «Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können». Diese Formulierung findet sich in den Sozialzielen der Bundesverfassung.[1] Der Grad des Einsatzes von Bund und Kantonen für die Sozialziele hängt dabei von der «verfassungsmässigen Zuständigkeit» und den «verfügbaren Mitteln» ab.

1. Die Sozialziele und die Berufsbildung

 Im Sozialziel in Artikel 41 f. der Bundesverfassung ist die Berufsbildung mitgedacht. Zwar können aus den Sozialzielen «keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden».[2] Aber die Politik hat sich an den Sozialzielen zu orientieren und sich im Zusammenhang mit dem Art. 41 f. BV zum Beispiel darum zu bemühen, Personen ihren Fähigkeiten entsprechend auszubilden, ihnen zum Beispiel eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

1.1 Anwendungsfall Lehrstellenmangel

Das angesprochene Sozialziel erhielt in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung. Der Zugang zur beruflichen Grundbildung war stark erschwert. Die Schweiz litt unter einem akuten Lehrstellenmangel. Wie wurde darauf reagiert? Es darf wohl mit Recht festgestellt werden, dass die Politik in Bezug auf die Berufsbildung ganz im Sinne der Sozialziele gehandelt hat. Es wurden Projekte lanciert, Reformen durchgeführt und Vereinbarungen abgeschlossen, um die Lehrstellensituation zu verbessern und die Chancen der Jugendlichen auf eine Lehrstelle und damit auf eine Berufsausbildung deutlich zu erhöhen. Das vielfältige Engagement hat erfreulicherweise zu spürbaren Verbesserungen geführt: Die Anzahl Lehrstellen stieg, die Probleme konnten besser erfasst und wichtige Instrumente geschaffen oder verfeinert werden. Wichtigen Anteil am Erfolg und an den Verbesserungen haben folgende Faktoren:

  • Stark ausgebautes Lehrstellenmarketing: Auf den Lehrstellenmangel haben die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt mit einem stark ausgebauten Lehrstellenmarketing reagiert. Durch Gespräche mit den Betrieben über den Wert und die Bedeutung der Lehre, durch die Entlastung von administrativen Arbeiten und den Aufbau von Ausbildungsverbünden konnten neue Betriebe für die Lehre gewonnen und alte Lehrbetriebe bei der Stange gehalten werden. Zwischen 1999 und 2010 konnten rund 28 000 Lehrstellen dazugewonnen werden.
  • Brückenangebote, gesetzlich gefördert durch den Artikel 12 des Berufsbildungsgesetzes[3]: Über das Berufsbildungsgesetz wurden die Kantone beauftragt, Jugendliche mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit über Brückenangebote auf die berufliche Grundbildung vorzubereiten. Diese Angebote halfen vielen Jugendlichen, ihre Chancen auf dem Lehrstellenmarkt zu verbessern und ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Desintegration vorzubeugen.
  • Möglichkeit zur Finanzierung von Berufsbildungsprojekten, geregelt in den Artikeln 54 und 55 des neuen Berufsbildungsgesetzes: Mit diesem wurde ein Innovationsfonds geschaffen, mit dessen Hilfe Bildungsprojekte mitfinanziert werden können. Viele Lehrstellenprojekte konnten in den letzten Jahren dank ihm gestartet und umgesetzt werden. Viele engagierte Leute und Organisationen in der Berufsbildung fanden in diesem Fonds die finanzielle Basis für die Umsetzung ihrer Ideen zugunsten der Berufsbildung und der Jugendlichen.
  • Bewusst eingesetzte Kosten-Nutzen-Analyse in der beruflichen Grundbildung in Bezug auf die Lehrbetriebe: Die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiges Element ist, dass sich eine Lehrlingsausbildung aus der Sicht der Betriebe lohnt. Bei der Reform der beruflichen Grundbildung ist daher das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge zu behalten, was bei der Erarbeitung von Bildungsverordnungen in den letzten Jahren regelmässig geschah.[4]
  • Einführung des Case-Managements in der Berufsbildung: Jugendliche und junge Erwachsene mit komplexen Mehrfachproblematiken sind besonders gefährdet, den Übertritt von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II nicht zu schaffen. Das Case-Management fördert die Interinstitutionelle Zusammenarbeit ( IIZ ). Eine fallführende Stelle sorgt über institutionelle Grenzen hinweg während der Phasen der Berufswahl und der Berufsbildung für ein planmässiges, koordiniertes und kontrolliertes Vorgehen.
  • Schaffung der Attestlehre: Das neue Berufsbildungsgesetz hat die Anlehre durch die Attestlehre ersetzt. Vor allem praktisch begabte Jugendliche haben damit die Möglichkeit erhalten, einen definierten Berufsabschluss zu erreichen, der mit einem klaren Berufsprofil verbunden ist. Zudem besteht Durchlässigkeit von der zweijährigen Grundbildung mit Berufsattest zu den drei- und vierjährigen Lehren mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis ( Lehrabschluss ).

1.2 Das Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung

Das Anliegen, durch gezielte Massnahmen Jugendlichen eine berufliche Grundbildung zu ermöglichen, hat sich auch in einem Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung niedergeschlagen.[5] 2006 haben sich Bund, Kantone und die Spitzenverbände der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in einer Vereinbarung darauf geeinigt, bis ins Jahr 2015 die Abschlussquote der unter 25-jährigen Personen auf Sekundarstufe II von 90 auf 95 Prozent zu steigern. Dies war angesichts der damals herrschenden Lehrstellensituation ein überaus herausforderndes Ziel. Um es zu erreichen, wurde unter der Leitung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren ( EDK ) das Projekt «Nahtstelle obligatorische Schulzeit – Sekundarstufe II»[6] ins Leben gerufen. Mit diesem Commitment wurde das Recht auf Berufsbildung zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, aber im politischen Alltag als politisches Ziel faktisch und praktisch anerkannt. Ob und wie weit all die ausgelösten Massnahmen zu den erhofften Ergebnissen führen, wird eine Evaluation im Jahre 2015 zeigen.

1.3 Vom Lehrstellenmangel zum Fachkräftemangel

Situationen ändern sich, auch in der Berufsbildung. Aus dem Lehrstellenmangel der letzten 16 Jahre ist ein zunehmender Fachkräftemangel geworden. In der Bildungspolitik drängen sich damit neue Fragen und Probleme in den Vordergrund. Noch stehen wir bei der Problemerfassung erst am Anfang. Niemand weiss genau, wie eine erfolgreiche Berufsbildungspolitik im neuen Kontext auszusehen hat. Klar ist, dass es auch in Zukunft Probleme an der Nahtstelle eins geben wird, das heisst beim Übergang von der obligatorischen Schulzeit in die Sekundarstufe II. Allerdings ist das Hauptproblem nicht mehr der Mangel an Lehrstellen, sondern eine zu geringe Nachfrage nach bestimmten Lehrstellen und ein Mangel an geeigneten Lehrlingen für bestimmte Lehrstellen. Die Politik wird also lernen müssen, Artikel 13 des Berufsbildungsgesetzes[7] neu zu lesen und in geeigneter Weise darauf zu reagieren.

Der Fokus der Berufsbildung war in den letzten Jahren klar auf die Jugendlichen an der Nahtstelle eins gerichtet. Die Politik wollte nicht zulassen, dass sie mit 25 Jahren ohne berufliche Ausbildung dastehen. Ihnen wollte man – wenn auch nicht als gesetzlich festgehaltene Pflicht, so doch als Folge von politischem Handeln – eine Art Recht auf Berufsbildung zugestehen. Dieser durch den Lehrstellenmangel bedingte Fokus hat jedoch die Auseinandersetzung mit einer anderen Gruppe verhindert: den erwachsenen Personen ohne berufliche Erstausbildung. In der Schweiz leben rund 600 000 Personen zwischen 25 und 64 Jahren, die über keinen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen. Angesichts der neuen Situation, die nicht mehr von Lehrstellenmangel, sondern von einem Lehrstellenüberschuss und Fachkräftemangel gekennzeichnet ist, ist das Recht auf Berufsbildung im Sinne der Sozialziele auf diese Gruppe auszudehnen. Wie das allenfalls zu machen ist, soll im Folgenden dargestellt werden.

2. Förderung der Nachholbildung von Erwachsenen als neues Thema der Berufsbildung

Das Berufsbildungsgesetz sieht zwar die Möglichkeit von Nachholbildungen für erwachsene Personen ohne Berufsabschluss vor. Es sieht aber in seiner heutigen Form nicht vor, die berufliche Nachholbildung bewusst zu fördern. Die Nachholbildung von erwachsenen Personen ohne Berufsabschluss wird eines der zentralen bildungspolitischen Themen der nächsten Jahre werden. Das Recht auf Berufsbildung im Sinne der Sozialziele muss im politischen und wirtschaftlichen Alltag in Zukunft auch für Erwachsene gelten. Eine berufliche Nachholbildung kann zum Beispiel über eine Validierung der Bildungsleistungen[8], eine verkürzte Lehre oder ein Qualifikationsverfahren[9] nach Artikel 32 der Berufsbildungsverordnung ausgestaltet sein.

2.1 Gründe für die Förderung der Nachholbildung

Es gibt drei gute Gründe, die berufliche Nachholbildung zu fördern:

  • Demografischen Wandel gesellschaftsverträglich bewältigen: Aufgrund des demografischen Wandels steuern wir auf einen Arbeits- und Fachkräftemangel zu. Das heisst, dass die Politik und die Wirtschaft alles tun müssen, um das bereits in der Schweiz bestehende Arbeitskräfte- und Fachkräftepotenzial möglichst vollständig zu nutzen. Neben den Anstrengungen, die zur Vermeidung von Ausbildungslosigkeit bei Jugendlichen bereits unternommen werden, ist die Forcierung beruflicher Nachholbildung ein zentraler Bestandteil einer solchen Strategie. Denn die Alternativen zu mehr Bildung und Nachholbildung sind erstens mehr Migration und zweitens höhere Kosten bei der sozialen Sicherheit.
  • Chancen der Bildungspolitik nutzen: Die Bildungsgesetzgebung sieht die berufliche Nachholbildung vor. Die gesetzlichen Grundlagen und Instrumente dafür sind weitgehend vorhanden. Gegenwärtig wird in allen Kantonen ein Validierungssystem aufgebaut. Ein Leitfaden des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie ( BBT )[10]bildet die Grundlage für diesen Prozess. Eine Gruppe der Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz ( SBBK ) ist daran, den Aufbau zu steuern. Jetzt geht es darum, dieses Instrument zu nutzen und zu einem festen Bestandteil der Bildungslandschaft Schweiz zu machen. Dazu ist ein verstärkter Wille der Verbundpartner der Berufsbildung nötig ( Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt ), die Chancen zu packen und die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu fördern.
  • Lebensqualität der Betroffenen verbessern: Vor allem aber geht es darum, die Lebensqualität der betroffenen ausbildungslosen Erwachsenen zu verbessern. Diese sind nämlich mit verschiedenen Risiken und Benachteiligungen konfrontiert. So weisen sie eine sehr geringe Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt auf. Ohne den Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung sind Bewerbungen oft chancenlos. Zudem profitieren sie kaum von Weiterbildung, was ihre Arbeitsmarktfähigkeit weiter beeinträchtigt. Ferner führt ihre Ausbildungslosigkeit dazu, dass ihr Lohn tief ist und bleibt. Und schliesslich ist ihr Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit oder einen definitiven Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt massiv höher.

2.2 Ein neues Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung zur Nachholbildung

Um die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu fördern, scheint es sinnvoll zu sein, in einer ersten Phase ein neues Commitment unter den Verbundpartnern der Berufsbildung auszuarbeiten, wie man dies im Zusammenhang mit dem Lehrstellenmangel 2006 gemacht hat. Die Verbundpartner müssen sich einig werden über die gemeinsamen Ziele, die umzusetzenden Massnahmen, die Finanzierung, die Organisation, die Verantwortlichkeiten und das Monitoring. In einer zweiten Phase ist das Commitment umzusetzen. In beiden Phasen ist auf die Möglichkeit der Projektförderung nach Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes zurückzugreifen. Dank dieser gesetzlichen Grundlage hat der Bund die Möglichkeit, die Analyse- und Planungsarbeit mitzufinanzieren und geeignete Massnahmen gemäss den gesetzlichen Regelungen zu unterstützen.

 

3. Vorarbeiten von Travail.Suisse zur beruflichen Nachholbildung

Travail.Suisse hat in den letzten Jahren zwei Studien zum Thema «Ausbildungslosigkeit von Erwachsenen» in Auftrag gegeben. Die erste beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, die zweite vor allem mit der Frage, wie gross das Potenzial an Personen ohne berufliche Erstausbildung ist, die eine gute Chance haben, über eine berufliche Nachholbildung zu einem Berufsabschluss zu kommen. Beide Studien zusammen schaffen eine erste Basis für die Entwicklung eines Commitments der Verbundpartner der Berufsbildung zur beruflichen Nachholbildung.

3.1 Studie 1 : Gesellschaftliche Kosten der Ausbildungslosigkeit

Welche Kosten entstehen auf gesellschaftlicher Ebene, wenn Personen im erwerbsfähigen Alter keine Ausbildung auf Sekundarstufe II besitzen? Das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) hat eine Antwort auf diese Frage in einer 2009 veröffentlichten Studie[11] gegeben. «Die erwarteten durchschnittlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, die für die Gesellschaft in der Form von höheren Sozialausgaben und geringeren Sozialversicherungs- und Steuereinnahmen entstehen, betragen für Personen, die in der Schweiz die obligatorische Schule absolviert haben, zwischen 8069 Franken (Mittelwertschätzer Minimalvariante) und 11 201 Franken (Mittelwertschätzer Maximalvariante) pro Person und Jahr. Wird einer Person ohne Sek-II-Abschluss ermöglicht, einen Sek-II-Abschluss nachzuholen, können also gesellschaftliche Kosten in der Höhe von rund 10 000 Franken pro Jahr eingespart werden. Zusätzlich können erhebliche Einkommensnachteile für das Individuum selber vermieden werden.»[12]

Aufgrund dieser Studie hat Travail.Suisse gefordert, dass die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss forciert werden muss, einerseits, um die Situation der Betroffenen zu verbessern, andererseits aber auch, um die gesellschaftlichen Kosten zu minimieren. Zu diesem Zeitpunkt wusste man allerdings nicht, wie gross das Potenzial für berufliche Nachholbildungen ist. Travail.Suisse hat daher eine zweite Studie zur Klärung dieser Frage in Auftrag gegeben.

3.2 Studie 2 : Potenzial für berufliche Nachholbildungen über Validierungen

Die zweite Studie, durchgeführt von der Berner Fachhochschule[13], hat ein beträchtliches Potenzial für Nachholbildungen über Validierungen aufgezeigt. «Rund 600 000 Personen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren waren im Jahr 2009 in der Schweiz ausbildungslos. Um mit dieser Studie das Potenzial an geeigneten ausbildungslosen Personen für die Validierung von Bildungsleistungen ermitteln zu können, wurden Personen betrachtet, die aktuell erwerbstätig sind. Sie eignen sich für die Validierung besonders und der entsprechende Nutzen ist bei ihnen am grössten. Zudem wurde die betrachtete Grundgesamtheit eingeschränkt auf Personen mit Bildungssozialisation in der Schweiz, da das Validierungsverfahren gute Kenntnisse einer Landessprache voraussetzt. Berechnungen auf Basis von SAKE 2009 zeigen, dass das in dieser Weise ermittelte Bruttopotenzial an Personen, die über eine Validierung einen Erstabschluss nachholen könnten, auf rund 170 000 Personen geschätzt werden kann, was also einem guten Viertel aller ausbildungslosen Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren entspricht.

Am besten geeignet für eine Validierung ist die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen, die mehrheitlich fünf und mehr Jahre Berufserfahrung haben und fünf und mehr Jahre im selben Betrieb gearbeitet haben. Je früher ein Validierungsverfahren eingesetzt wird, desto wirtschaftlicher ist dieses in Bezug auf die weitere berufliche Tätigkeit, sowohl für die Betroffenen selber als auch für die Wirtschaft und den Staat. Ab dem Alter von 50 Jahren gestaltet sich ein Berufswechsel zunehmend schwieriger. Unter diesen Einschränkungen ergibt sich eine Gruppe von rund 70 000 ausbildungslosen Personen mit guten Voraussetzungen bezüglich Bildung und Berufserfahrung. Wird zudem noch eingegrenzt auf Personen, die bereits seit mindestens fünf Jahren im gleichen Betrieb arbeiten und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit denselben Beruf ausgeübt haben, so ergibt sich ein (Netto) Potenzial von 52 000 Personen in der Schweiz, die sich für die Durchführung des Validierungsverfahrens sehr eignen.»[14]

3.3 Folgerungen aus den beiden Studien

Aus den beiden Studien lassen sich einige Schlüsse ziehen:

  • Nachholbildungen lohnen sich: Berufliche Nachholbildungen lohnen sich nicht nur für die Personen selber, sondern gerade auch für die Gesellschaft. Die Studie 2 zeigt, «dass langfristig, das heisst über einen Zeitraum von 15 bis 30 Jahren, die von der öffentlichen Hand investierten Kosten für die Validierung in fünf- bis sechsfachem Umfang in Form von Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträgen und eingesparten öffentlichen Unterstützungsleistungen zurückfliessen».[15] Die Vorarbeiten von Travail.Suisse haben daher einen weiteren Grund aufgezeigt, warum ein gemeinsames Engagement der Verbundpartner im Bereich der beruflichen Nachholbildung angezeigt ist : Nachholbildungen bringen neben einem persönlichen und wirtschaftlichen auch einen gesellschaftlichen Nutzen.
  • Das Potenzial für Nachholbildungen ist gross: Gegenwärtig machen um die 700 Personen jährlich eine berufliche Nachholbildung über den Weg der Validierung. Nehmen wir die 52 000 Personen, die nach der Untersuchung der Berner Fachhochschule eine sehr gute Voraussetzung haben, einen Berufsabschluss über ein Validierungsverfahren zu erreichen, so ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Travail.Suisse schlägt vor, dass in den nächsten zehn Jahren 30 000 Validierungen anzustreben sind, was zwar auf der einen Seite Kosten von rund 240 Millionen Franken auslöst, auf der anderen Seite aber ein Mehrfaches an Einsparungen einbringt.[16]
  • Nachholbildungen lohnen sich auch bei Personen im Alter über 40 Jahre: Durch die beiden Studien bekommt der Begriff «lebenslanges Lernen» ein neue Bedeutung. Bei Personen im Alter über 40 Jahre denken wir in Bezug auf lebenslanges Lernen an Weiterbildung, aber kaum an Erstausbildung. Beim Thema «Erstausbildung» denken wir automatisch an Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 oder maximal 30 Jahre. Das ist aber falsch, wie die Ergebnisse der beiden Studien zeigen. Auch bei Personen über 40 Jahre ohne Erstausbildung besteht noch ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Gesellschaft, wenn sie über eine berufliche Nachholbildung einen Berufsabschluss erreichen. Geschieht die berufliche Nachholbildung über eine Validierung, so beträgt das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Durchschnitt 1 :5,4, bei einer verkürzten Lehre 1 :3,4 und bei einer vollen Lehre 1 :2,6.[17]
  • Um ein Commitment zwischen den Verbundpartnern der Berufsbildung zu erarbeiten, genügen natürlich diese beiden Studien nicht. Ergänzende Forschungsarbeiten sind notwendig, beispielsweise über die Branchen, in denen die Personen ohne Berufsabschluss arbeiten, oder über den Personalbedarf bestimmter Branchen. Hierzu könnten die Forschungsstätten der Berufsbildung, die sogenannten «Leading Houses der Berufsbildung»[18], einen Beitrag leisten.

 

4. Hilfreiche Gesetzesanpassungen

Der Versuch, mit Hilfe eines neuen Commitments zwischen den Verbundpartnern der Berufsbildung die berufliche Nachholbildung von Personen ohne Berufsabschluss zu fördern, ist ein guter Weg. Kommt das Commitment zustande, können die Verbundpartner für die Zielgruppe der Ausbildungslosen das Recht auf Berufsbildung im Sinne des Sozialziels der Bundesverfassung zweckmässig wahrnehmen. Vieles ist möglich auf diesem Weg, aber nicht alles. Wahrscheinlich muss für die Finanzierung der Förderung der beruflichen Nachholbildung eine bessere gesetzliche Grundlage auf eidgenössischer Ebene geschaffen werden. Denn gegenwärtig ist im Berufsbildungsgesetz die Förderung der beruflichen Nachholbildung nicht explizit erwähnt. Es soll deshalb hier aufgezeigt werden, wie eine solche Gesetzesänderung aussehen und wie sie allenfalls angepackt werden könnte.

4.1 Änderung des Artikels 12 des Berufsbildungsgesetzes

Zentral ist eine Änderung des Artikels 12 des Berufsbildungsgesetzes. Artikel 12 lautet gegenwärtig: «Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung: Die Kantone ergreifen Massnahmen, die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten.» Dieser Gesetzestext ist klar von der 1996 erstmals diagnostizierten Lehrstellenkrise geprägt. Im Blickpunkt stehen Jugendliche, die aufgrund ihrer Bildungsdefizite ohne Unterstützung keine Chance auf dem angespannten Lehrstellenmarkt haben. Angesichts der sich verändernden Situation (aus dem Lehrstellenmangel ist ein Fachkräftemangel geworden) ist dieser Gesetzestext zu ergänzen. Neu müssen von diesem Artikel auch Erwachsene ohne Berufsausbildung erfasst werden. Artikel 12 könnte dann neu etwa folgendermassen lauten:

 «Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung und die berufliche Nachholbildung :

Die Kantone ergreifen geeignete Massnahmen,

1 die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten;

2 (neu) die erwachsenen Personen ohne berufliche Grundbildung die Möglichkeit schaffen, über die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) einen Abschluss der beruflichen Grundbildung zu erlangen.»

Eine solche Gesetzesänderung ist nötig, damit die Förderung der beruflichen Nachholbildung auch in das Kapitel 8 des Berufsbildungsgesetzes (Beteiligung des Bundes an den Kosten der Berufsbildung) und dort insbesondere in die Artikel 53 (Pauschalbeiträge an die Kantone) und Artikel 55 (Beiträge an besondere Leistungen im öffentlichen Interesse) aufgenommen werden kann. Nur so kann die notwendige Finanzierungssicherheit geschaffen werden.

4.2 Chance «Weiterbildungsgesetz»

Gegenwärtig wird auf Bundesebene ein eidgenössisches Weiterbildungsgesetz geschaffen. Beim aktuellen Stand der Diskussion[19] kann davon ausgegangen werden, dass das Gesetz Regelungen in Bezug auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener enthalten wird. Für die berufliche Nachholbildung ist diese Gesetzesbestimmung sehr wichtig. Ohne Grundkompetenzen können Erwachsene keine berufliche Nachholbildung anstreben. Das Weiterbildungsgesetz sieht auch vor, dass nichtformale und informelle Bildung an die formale Bildung, zum Beispiel an die berufliche Grundbildung, angerechnet werden kann. Damit nimmt auch das Weiterbildungsgesetz das Thema «Nachholbildung» auf. Aber wie im Berufsbildungsgesetz wird auch im Weiterbildungsgesetz die Nachholbildung nur geregelt, nicht gefördert. Dies ist mit einer entsprechenden Ergänzung zu korrigieren. Der Artikel 7 des zukünftigen Weiterbildungsgesetzes könnte damit folgendermassen lauten:

«Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung

1 Bund und Kantone sorgen mit ihrer Gesetzgebung für transparente und möglichst gleichwertige Verfahren zur Anrechenbarkeit von Weiterbildung und informeller Bildung an die formale Bildung.

2 Sie bezeichnen die Organe, welche die Kriterien für die Anrechenbarkeit festlegen und für die Transparenz sorgen.

3 ( neu ) Sie ergreifen zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.»

Das Weiterbildungsgesetz schafft auch die Möglichkeit, die Artikel 12, 53 und 55 des Berufsbildungsgesetzes zu ändern. Über den Artikel 22 des Weiterbildungsgesetzes («Änderung bisherigen Rechts») könnte diese Änderung in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess einfliessen.

5. Zusammenfassung

Es ist Zeit, die berufliche Nachholbildung von Personen ohne beruflichen Abschluss zu einem zentralen Ziel der Berufsbildungspolitik zu machen. Gründe dafür gibt es genug: der sich abzeichnende Fachkräftemangel, die gesellschaftlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, aber vor allem auch die notwendige Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Personen. Ähnlich wie beim Lehrstellenmangel kann ein Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung ( Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt ) helfen, die Probleme effizient und effektiv zu lösen und so die berufliche Nachholbildung mit geeigneten Massnahmen zu fördern. Die notwendigen Gesetzesänderungen lassen sich über das Weiterbildungsgesetz vornehmen, das in Bälde im Parlament diskutiert wird. Die Sozialziele der Bundesverfassung sehen unter anderem vor, dass sich Bund und Kantone dafür einsetzen, dass «Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können». Ein Commitment unter den Verbundpartnern zur beruflichen Nachholbildung wäre eine ansprechende Antwort auf die Forderung des erwähnten Sozialziels. Dem Recht auf Berufsbildung würde im politischen und wirtschaftlichen Alltag ganz im Sinne des Sozialziels mehr Raum gegeben. Es ist zu hoffen, dass das Commitment zustande kommt.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse. In: Caritas Sozialalmanach 2013, Bildung gegen Armut, Januar 2013, S.143ff.

6. Literaturhinweise

        Bundesamt für Berufsbildung und Technologie : Validierung von Bildungsleistungen. Leitfaden für die berufliche Grundbildung. Bern, September 2010. www.bbt.admin.ch/themen/berufsbildung/01183/0118index.html?lang=de

        Fritschi Tobias, Oesch Thomas ( Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien / BASS ), Jann Ben ( ETH Zürich ) : Gesellschaftliche Kosten der Ausbildungslosigkeit in der Schweiz ( Schlussbericht ). Im Auftrag von Travail.Suisse. Mai 2009. www.travailsuisse.ch/de/system/files/ausbildungslosigkeit_schlussbericht_defMai.pdf

        Fritschi Tobias, Bannwart Livia, Hümbelin Oliver, Frischknecht Sanna ( Berner Fachhochschule ) : Gesellschaftliche Kostender Ausbildungslosigkeit mit Fokus auf Validierung und Ausbildungsabbrüche, Schlussbericht im Auftrag von Travail.Suisse. Bern, 20. März 2012. www.travailsuisse.ch/de/system/files/Schlussbericht+Ausbildungslosigkeit+2.4.12.pdf

        Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren ( EDK ) : Leitlinien zur Optimierung der Nahtstelleobligatorische Schule – Sekundarstufe II. 2006. www.edk.ch/dyn/12781.php

        www.nahtstelle-transition.ch

        www.berufsbildung.ch / download / mb6.pdf

        www.bbt.admin.ch/themen/berufsbildung/00405/00406/index.html?lang=de   

        www.bbt.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?lang=de&msg-id=42136

        www.ehb-schweiz.ch/dezentrumberufsentwicklung/ErarbeitungvonBildungsverordnungen/Seiten / default.aspx

        www.validacquis.ch/InfoKand.php

 

 


[1]Artikel 41 Bundesverfassung :

1 Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass :

f. Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können ;

3 Sie streben die Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel an.

4 Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden.

[2] Ebd.

[3]Art. 12 Berufsbildungsgesetz : Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung

Die Kantone ergreifen Massnahmen, die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten.

[4] vgl. www.ehb-schweiz.ch/de/zentrumberufsentwicklung/ErarbeitungvonBildungsverordnungen /Seiten/default.aspx

[5] Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2006.

[7] Artikel 13 Berufsbildungsgesetz : Ungleichgewichte auf dem Markt für berufliche Grundbildung :

Zeichnet sich ein Ungleichgewicht auf dem Markt für berufliche Grundbildung ab oder ist ein solches Ungleichgewicht bereits eingetreten, so kann der Bundesrat im Rahmen der verfügbaren Mittel befristete Massnahmen zur Bekämpfung treffen.

[8] www.validacquis.ch/InfoKand.php

[10] Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, 2010.

[12] Ebd.

[13] Fritschi et al., 2012.

[14] Ebd., S. 6 f.

[15] Ebd., S. 40

[16]«Die [] Kosten der öffentlichen Hand für die drei Formen zur Erlangung eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses ( EFZ ) betragen 8000 Franken für die Validierung, 25 000 für die verkürzte Lehre bzw. Lehre nach Artikel 32 und 50 000 Franken für eine volle Lehre.» Aus : Fritschi et al., 2012, S. 40.

[17] Ebd.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bruno Weber-Gobet, Das Recht auf Berufsbildung im politischen und wirtschaftlichen Alltag leben. Aus: Caritas Sozialalmanach 2013: Bildung gegen Armut, S.143-157