Schlagwort-Archive: Grundkompetenzen

Erwachsene und der Zugang zur Bildung

Die Höhere Berufsbildung (formal), die Weiterbildung (nonformal) und die informelle Bildung sind wichtige Bereiche der Bildung von Erwachsenen. Alle drei Bereiche sind in Bewegung, sei es in Bezug auf die rechtlichen Regelungen, die Finanzierung oder die Verantwortlichkeiten. Die Gemeinsamkeit der Reformen in den drei genannten Bereichen ist, dass der Zugang der Erwachsenen zu diesen Bildungsbereichen verbessert werden soll. Denn nicht alle Erwachsenen können in genügendem Masse an der für sie vorgesehenen Bildung teilnehmen. Gerade unter den Erwachsenen nimmt die Schere zwischen den Bildungsschichten eher zu als ab.

Den ganzen Artikel lesen

Der Artikel ist erschienen im Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 4/2016, S. 60f.

Begünstigung der Weiterbildung

Am 1. Januar 2017 tritt das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz WeBiG in Kraft. Sein Zweck ist es, die Weiterbildung im Bildungsraum Schweiz zu stärken (vgl. Art. 1.1 WeBiG).

Unter anderem verlangt das Weiterbildungsgesetz von den öffentlichen und privaten Arbeitgebern, dass sie die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begünstigen (Art. 5.2 WeBiG). Konk-ret bedeutet dies, dass sie ihre Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeitenden auch im Hinblick auf die Weiterbildung wahrzunehmen haben, indem sie zum Beispiel ein günstiges Umfeld für Bildung im Unter-nehmen schaffen. Dabei appelliert das WeBiG bei der Umsetzung der Fürsorgepflicht an die Selbstverantwortung der Arbeitgeber. Aus Arbeitnehmersicht darf daher erwartet werden, dass ein Arbeitgeber in einem betrieblichen Weiterbildungsleitbild den Mitarbeitenden aufzeigt, wie er seine „Selbstverantwortung“ in Bezug auf die Weiterbildung wahrnehmen will und wie er seine finanzielle, zeitliche und organisatorische Unterstützung der Mitarbeitenden im Hinblick auf die Weiterbildung sieht.

Gesamtes Dokument lesen

 

 

Bleibt das Weiterbildungsgesetz toter Buchstabe?

Am 1. Januar 2017 beginnt eine neue Ära in der Weiterbildungspolitik der Schweiz. Auf dieses Datum hin tritt das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz WeBiG in Kraft. Am 2. Oktober 2015 ging die Vernehmlassungsfrist für die Verordnung zum Weiterbildungsgesetz (WeBiV) zu Ende. Aus dem Verordnungsentwurf lassen sich erste Hinweise gewinnen, welche Kraft dieses Gesetz für die Bewältigung verschiedener wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Probleme entwickeln wird. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ergibt sich ein sehr durchzogenes Bild.

Das Weiterbildungsgesetz ist als Rahmengesetz konzipiert. Es bildet den Rahmen für alle Bundes- und Kantonsgesetze, in denen Weiterbildung ein Thema ist. Die Spezialgesetze der Weiterbildung haben die Regelungen des Rahmengesetzes zu beachten, zum Beispiel die Ziele nach Art. 4 WeBiG oder die Grundsätze nach Art. 5 – 9 WeBiG. Von diesem Rahmengesetz sind also vor allem Bund und Kantone betroffen, und zwar bezogen auf ihre Gesetzgebung, ihre Finanzierung und ihre Angebote von Weiterbildung. Die nicht-staatliche Welt wird zwar vom Weiterbildungsgesetz auch erwähnt. Sie wird aber hauptsächlich auf ihre Selbstverantwortung (vgl. Art. 5.2 und Art. 6.1 WeBiG) hin angesprochen.

Mehrwert für die Teilnehmenden nur bei Koordination

Travail.Suisse geht davon aus, dass durch das Weiterbildungsgesetz ein Mehrwert für die Teilnehmenden an Weiterbildung entsteht. Dieser Mehrwert soll sich sowohl im Hinblick auf den Arbeitsmarkt wie auch im Hinblick auf den Bildungsmarkt auszahlen. Er hängt engstens mit der Transparenz im Weiterbildungsmarkt, der Qualität der Weiterbildung und der Vereinfachung der Anerkennung von non-formalen Bildungsleistungen an das formale Bildungssystem zusammen.

Spannend ist nun zu sehen, dass in Art. 2.2 WeBiG die Umsetzung der Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes im Hochschulbereich den hochschulpolitischen Organen übertragen wird. In anderen Bereichen, zum Beispiel im Berufsbildungsbereich oder im Bereich der Arbeitslosenversicherung fehlt aber eine solche Kompetenzübertragung. Wer hat hier nun in Bezug auf die Spezialgesetze die Aufgabe und die Kompetenz, die Grundsätze auszulegen und umzusetzen? Der Verordnungsentwurf des Bundes zum Weiterbildungsgesetz gibt darauf keine Antwort. Als Organisation der Arbeitswelt hat Travail.Suisse allerdings ein Interesse daran, dass für die Teilnehmenden das Weiterbildungssystem transparenter wird. Bund und Kantone sind daher aufgefordert, koordiniert Grundregeln für die Umsetzung der Grundsätze in den eidgenössischen und kantonalen Spezialgesetzen zu schaffen. Dazu braucht es aber ein Organ, das diese Arbeit wahrnimmt. Travail.Suisse fordert, dass Bund und Kantone in Bezug auf die von ihnen geregelte Weiterbildungstätigkeit eine Konferenz zur koordinierten Umsetzung der Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes Art. 5 – 9 und zur Konkretisierung der Ziele Art. 4 WeBiG schaffen. Dabei sollen sie auch die Organisationen der Arbeitswelt und die Organisationen der Weiterbildung mit beratender Stimme miteinbeziehen. Das bietet die Chance, dass der staatliche und der nicht-staatliche Bereich voneinander lernen und sich bei verschiedenen Fragen in die gleiche Richtung entwickeln können.

Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener bedingen finanzielles Engagement

Das Weiterbildungsgesetz enthält auch spezialgesetzliche Regelungen, und zwar im Hinblick auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener (Art. 13-16 WeBiG). Die Regelungen in der vorgeschlagenen Verordnung sind grundsätzlich zu begrüssen. Vor allem die Erarbeitung von strategischen Zielen, die alle vier Jahre überprüft werden, bildet eine gute Basis für die Entwicklung dieses Bildungsbereiches (Art. 8 WeBiV). Allerdings wird zu einseitig auf die Umsetzung durch die Kantone gesetzt (vgl. Art. 9 WeBiV). Gerade wenn auf der Ebene von Branchen gesamtschweizerische Projekte ins Auge gefasst werden oder die strategischen Ziele nahelegen, dass der Bund eine nationale Kampagne fahren soll, fehlen die entsprechenden Möglichkeiten in der Verordnung. Es sind daher entsprechende Ergänzungen vorzusehen: „Die Umsetzung der vereinbarten strategischen Ziele erfolgt mittels Programmen a. einzelner oder mehrerer Kantone b. gesamtschweizerisch tätiger Organisationen der Arbeitswelt c. des Bundes“. Das Hauptproblem im Hinblick auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener steckt allerdings nicht in der Verordnung. Diese würde eine zukunftsfähige Politik in diesem Bildungsbereich ermöglichen. Das Problem sind die Finanzen. Die Weiterbildungsbotschaft sieht ein Finanzvolumen des Bundes in dieser Frage von 2 Millionen Franken pro Jahr vor. Damit bewegt man kaum etwas. Soll das neue Gesetz etwas bewirken, so muss die Politik über die Bücher gehen und im Rahmen der Finanzbotschaft in Bezug auf Bildung, Forschung und Innovation (BFI-Botschaft 2017-2020) einen angemessenen Betrag für den Bereich Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener sprechen. Finanzen sind notwendig für den Aufbau von Strukturen, für die Teilnehmergewinnung und die Durchführung von Bildungsprojekten. Erste Berechnungen zum Beispiel vom Schweizerischen Verband für Weiterbildung SVEB, bei dem Travail.Suisse seit Jahren im Vorstand mitarbeitet, zeigen, dass etwa 6 Millionen Franken pro Jahr, das heisst über vier Jahre rund 24 Millionen Franken, notwendig sind, um erste positive Effekte zu erzielen. Die 24 Millionen Franken sollten dabei progressiv über die vier Jahre verteilt werden.

Koordination und Finanzen sind entscheidend

Das Weiterbildungsgesetz ist von Seiten von Travail.Suisse mit Hoffnungen verbunden. Allerdings ist die Gefahr gross, dass das Gesetz toter Buchstabe bleibt, wenn nicht der Bund ein Koordinationsorgan schafft zur Umsetzung der Ziele und Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes und das Parlament nicht die Finanzen zugunsten des Erwerbs und des Erhalts von Grundkompetenzen erhöht.